"Wiener Zeitung": Blickt man darauf, wie Trump in den vergangen Jahren Politik betrieben hat, dann scheint es, dass er weniger die politische Diskussion gesucht hat, sondern vielmehr als Showmaster aufgetreten ist. Stimmt der Eindruck, dass er anders als herkömmliche Politiker Anhänger an sich zu binden versucht?

Sophie Einwächter: Auf alle Fälle. Trump findet sein Alleinstellungsmerkmal darin, dass er nicht traditionelle politische Diskurse bedient, sondern Kapital aus seiner Vergangenheit im Reality-TV schöpft. Viele seiner Gesten, viel Rhetorik von damals hat er eins zu eins beibehalten. Interessant ist dabei, dass sein Branding, die Marke Trump, mit Erfolg assoziiert wird. Seine Strategie, über sich in der dritten Person zu sprechen und so den Markennamen ständig zu wiederholen, behält er seit Jahren bei. Die Anhänger Trumps lassen sich am besten als Konsumgemeinschaft kennzeichnen, die die Marke und alles, was dafür steht, auch zu hohen Preisen zu kaufen bereit sind, weil sie damit einen gewissen Glorienschein erwerben, der sich um die Marke Trump gelegt hat.
Trump hat ja auch an Wrestling-Shows teilgenommen. Was hat er von diesen für seine Inszenierung übernommen?
Bei seinen Auftritten im Wrestling hat er sich einerseits parodiert und andererseits ausgelebt. Gleichzeitig konnte er dort schon rhetorische Überschreitungen ausüben, die er beibehalten hat. Dabei handelt es sich um Grimassen oder überzeichnete Vernichtungsgesten. Das verträgt sich sehr gut mit der Machofigur Trump, die Gegner wie eine Dampfwalze vernichtet und dabei auch überhaupt nicht politisch korrekt ist. Im Wrestling ist diese Form der Überzeichnung, die gewalttätige Geste und auch die Erniedrigung des Gegners, erwünscht und erlaubt. Trump hat auch in der Politik darauf zurückgegriffen und damit seine Kontrahenten ein wenig machtlos wirken lassen, da sie solche Gesten nicht erwidern konnten, ohne ihrerseits an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Sie sahen sich plötzlich einer völlig anderen Strategie gegenüber. Wenn einer in einer Diskussion ständig rücksichtlos über seine Gesprächspartner hinwegredet, dann kann diese das auch sehr unvorbereitet treffen.
Was wäre ein Beispiel für eine rhetorische Geste, die Trump aus dem Wrestling übernommen hat?
Dass er abwertende Nicknames für seine Kontrahenten verwendet, wie "Sleepy Joe" für Joe Biden oder "Crooked Hillary" für Hillary Clinton. Weil er diese Nicknames wiederholt, sorgt er dafür, dass seine Anhängerschaft sie nicht vergisst. Da ist eine ähnliche Strategie wie die Wiederholung der eigenen Marke als Erfolgssymbol. Diese Repetition ist unheimlich plump, aber sie funktioniert.
Gleichzeitig werden Trump Aussagen verziehen, die anderen Politikern längst die Karriere gekostet hätten. Er äußert sich frauenfeindlich, verherrlicht Gewalt. Inwieweit hängt das auch mit seiner Inszenierung zusammen?
Es ist nicht Teil seines Brandings, integer zu sein. Die Marke Trump beinhaltet, dass er unterhaltsam, erfolgreich und dabei ruchlos ist. Viele politische Akteure setzen auf ein ganz anderes Branding, das zumindest auf den Anschein von Integrität oder Kenntnis der politischen Beziehungen beruht. Derartiges erwarten Trumps Anhänger aber gar nicht von ihm.
Hat der ehemalige Immobilientycoon und leidenschaftliche Twitterer Trump einfach die Aufmerksamkeitsökonomie am besten verstanden? Nach dem Motto: Egal wie, sorge für Aufmerksamkeit?
An seinen Marketing-Parolen und der Vorliebe für Superlative hat sich seit den 1980er Jahren nicht viel geändert. Mit seiner Nutzung von Twitter war er aber seinen Konkurrenten voraus, weil er es sehr bald als direktes Kommunikationsmedium zu seinen Anhängern etabliert hatte. Im Setzen von kurzen Slogans, wenn möglich mit einem Punch, hat Trump schon sehr viel Übung mitgebracht. Seine politischen Inhalte wirkten durch die ständige Wiederholung von ein paar Botschaften aber relativ schmal. Er hat sich auch ein wenig unangreifbar gemacht, weil er komplexe Diskussionen gar nicht erst führt. Sein Vorhaben, eine Mauer gegen die Bedrohung von außen zu bauen, kann man schon einem Kind mit Legosteinen erklären. Diese Einfachheit ist aber auch Umsetzung seiner Kritik an dem von ihm so benannten elitär-intellektuellen Politsumpf.
Trump inszeniert sich als harter Mann. Aber welche Rolle spielen die Frauen im Trump-Universum?
Sie sind sehr wichtige Nebenfiguren. Insbesondere seine Tochter Ivanka wird als relativierendes Argument gegen Trumps Machogehabe angeführt. Sie gibt sich weltoffen, ist eine jüdische Konvertitin und nicht zuletzt jung und schön - was im Trump-Kosmos sehr wichtige Attribute für Frauen sind. Sie gilt dann als Beweis, dass Trump nicht so schlecht sein kann, wenn er so eine Tochter hat. Ivanka stellt sich damit in den Dienst der Marke und bespielt eine junge und weiblichere Zielgruppe. Die Medienwissenschaftlerinnen Misha Kavka und Emma Blackett sprechen von einer doppelten "Schirmfunktion" dieser Frauen um Trump, zu denen auch Figuren wie seine Beraterin Kellyanne Conway gehören: Sie schirmen ihn einerseits ab und schützen ihn so, und andererseits projizieren sie - wie Bildschirme - seine Botschaften. Sie gelten auch als Belege dafür, dass Trump Frauen fördere. Diese Zusammenarbeit basiert aber auf patriarchalen Grundwerten.
Marken transportieren oft auch ein Lebensgefühl. Welches Lebensgefühl transportiert Trump?
Einen exklusiven Luxus, der ein Ideal für diejenigen darstellt, die aufstreben. Das enthält auch noch Reste vom amerikanischen Traum, dass jeder Millionär werden kann, aber es liefert auch eine starke Projektionsfläche für weiße Überlegenheit. Durch den Besitz von Trump-Produkten wird man in diesen Nimbus hineingezogen. Trump hat es geschafft, sich als nahbarer, fernsehschauender Milliardär zu inszenieren, der wie ein trotziger Teenager seine eigenen Regeln aufstellt und sich nicht an die eines elitären Systems hält. Darin stecken viele Widersprüche, mit denen sich seine Anhängerschaft aber offenbar nicht auseinandersetzt.
Unabhängig vom Wahlausgang bleibt uns die Marke Trump wohl noch eine Weile erhalten.
Er kann dieses Geschäft sicher noch eine Weile weitertreiben. Sehr interessant wird aber folgende Frage sein: Wie schafft Trump - wann immer dieser kommen mag - einen Rückzug, ohne an Markenwert zu verlieren? Man kann hier vielleicht einen Vergleich zur Fankultur ziehen - auch wenn ich es prinzipiell für problematisch erachte, Trump-Anhänger mit Fans zu vergleichen, weil das nur die pathologische und nicht die kreative Seite des Fanbegriffs bedient. In der Fankultur braucht es aber zumeist verschiedene Phasen, wenn sich ein Fanobjekt verabschiedet: des Trauerns und des Nichtakzeptierens - wobei hier ja bei Trump die Befürchtung groß ist, dass das mit gewalttätigen Ausschreitungen einhergeht. Und dann folgt das Zelebrieren der besten Momente.
Ich kann mir schon vorstellen, dass sich hier ein Nischen-Fandom dauerhaft halten wird. Vieles hängt freilich davon ab, welche Wege Trump weiter gehen wird - und vielleicht auch davon, welche Enthüllungen es noch über ihn geben wird, die seine Marke weiter diskreditieren. Es wird sich dann zeigen, wie weit er mit dem stetigen Leugnermodus kommt.
Hat Trump mit seiner Inszenierung neue Maßstäbe gesetzt, die sich in der Politik fortsetzen werden, oder kann nur ein Trump Trump sein?
Es könnte auch der letzte Abgesang auf eine 1980er-Jahre-Nostalgie sein. Nach ihm kann wohl niemand genau so Politik betreiben, dafür ist dieses Gebaren dann zu wenig neu. Ich glaube, dass er ein Alleinstellungsmerkmal hatte und etwas Neues in die politische Szene gebracht hat, das aber hochproblematisch ist. Er betreibt eine konsequente Regelüberschreitung, und ich hoffe, dass sein Auftreten einmal daran erinnert, wie wichtig es ist, gewisse Grundwerte und Regeln zu achten.