Nach der Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten fallen die internationalen Pressestimmen dazu fast durchweg positiv aus.
Donald Trump und die Medien: Dieses Verhältnis war in den vergangenen vier Jahren oft mehr als angespannt. Entsprechend wenig wehmütig fällt der Abgesang der internationalen Presse nach der Abwahl Donald Trumps aus. Auf den neu gewählten Präsidenten Joe Biden sehen viele jedoch schwierige Aufgaben zukommen. Wichtighe Pressestimmen im Überblick:
"SÜDDEUTSCHE ZEITUNG" (Deutschland): "Gewonnen ist gewonnen, die US-Verfassung kennt da keine Grautöne."
"DER SPIEGEL" (Deutschland): "Joe Bidens Reaktionen auf den Sieg hört sich beinahe altmodisch an. "Jetzt, da dieser Wahlkampf endet, ist es an der Zeit, Wut und harte Rhetorik hinter uns zu lassen und wieder als eine Nationen zusammenzufinden", erklärt der Demokrat am Samstag. Der Satz verrät die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, als noch nicht Hass und Zwietracht die amerikanische Politik bestimmt haben. Wird sie nun erfüllt?"
"taz" (Deutschland): "The Winners are Kamala and Joe."
"DIE WELT" (Deutschland): "Der Sieg ist gewaltig, aber doch knapp. Joe Biden hat jetzt einen klaren Auftrag: einen Kurs der politischen Mitte zu fahren, möglichst ohne den linken Flügel der Demokratischen Partei zu verprellen. Und er hat die Möglichkeit, Geschichte zu schreiben - durch Verzicht."
"DE TELEGRAPH" (England)
"Historiker werden wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass Joe Biden zu einem großen Teil gewonnen hat, weil er nicht Donald Trump war. (...) Biden muss seinen Sieg in einem Anti-Trump-Referendum in eine Wahl für eine Agenda umsetzen, die die Menschen wirklich zusammenbringt."
"THE OBSERVER" (England)
"Angesichts so vieler Herausforderungen könnten sich viele fragen, ob Biden, der bald 78 Jahre alt wird, seinen Kurs beibehalten kann. Doch weitaus wichtiger als sein Alter ist die Tatsache, dass er ein anständiger, ehrlicher und erfahrener Staatsmann ist. Nach so viel Verbitterung und Hass ist er der erfahrene Konsensbildner, den die USA und die Welt brauchen (...) Der Jubel ist völlig gerechtfertigt."
"LE MONDE" (Frankreich)
"Der größte Fehler wäre es jedoch, sich mit einem Seufzer der Erleichterung zufrieden zu geben. Am Ende von vier Jahren eines verheerenden Mandats, ein paar Monaten eines erniedrigenden Feldzugs und Tagen oder Wochen eines entsetzlichen rechtlich-politischen Guerillakriegs wird der Demokrat (Joe Biden) am Ende in das von seinem Vorgänger verlassene Trümmerfeld vorstoßen, mit der gewaltigen Aufgabe, alles oder fast alles wieder aufzubauen."
"NEUE ZÜRCHER ZEITUNG" (Schweiz)
"Angetreten ist er als Versöhner, und bei all seinen Schwächen verkörpert er jenen Wesenszug des Landes, der diesem in der Vergangenheit geholfen hat, aus Krisen zu finden. Als ein Mann, der sich nach schweren Schicksalsschlägen (er verlor seine erste Frau und zwei Kinder) und politischen Niederlagen wieder aufrappelte, ist er das Gegenmodell zur narzisstischen Opferrhetorik Trumps."
"TAGES-ANZEIGER" (Schweiz)
"Mehr als 70 Millionen Amerikaner haben Trump diesmal ihre Stimme gegeben – und damit explizit gutgeheißen, was er in den letzten vier Jahren getan und gesagt hat. Diese Menschen werden nicht verschwinden, auch nicht mit salbungsvollen Aufrufen an Einheit und Harmonie. Und doch: Eine zweite Amtszeit Trumps hätte Amerika an einen finsteren Punkt geführt. Sie hätte die Wunden vertieft und neue geschlagen. Mit Trumps Abwahl ist zumindest die Blutung gestoppt."
"DE TELEGRAAF" (Niederlande)
"Bis auf weiteres liegt Donald Trump auf Konfrontationskurs. Noch hat er die Zeit dafür. Die amerikanische Verfassung schreibt vor, dass der neue Präsident erst am 20. Januar ins Weiße Haus einzieht. (...) Angesichts der unkonventionellen Art des Präsidenten wird auch befürchtet, dass er bei seinem Auszug keineswegs kooperativ sein wird. In dem Fall wäre es die Aufgabe des Secret Service, der den Präsidenten noch bis zum 20. Januar beschützen muss, ihn aus dem Weißen Haus zu entfernen."
"DE STANDAARD" (Belgien)
"Biden erbt ein tief gespaltenes Land mit zersplitterten Machtverhältnissen. Die Demokraten besetzen das Weiße Haus und das Repräsentantenhaus, die Republikaner dominieren den Senat und in gewisser Weise auch den Obersten Gerichtshof. Diese Gegensätze könnten zu einer neuen Pattsituation führen."
"IRISH TIMES" (Irland)
"Es wirft ein bemerkenswert schlechtes Licht auf eine schändliche Präsidentschaft, dass der Machtverlust von Donald Trump vor allem von den Autokraten der Welt betrauert wird."
"EL PAÍS" (Spanien)
"Der Sieg des demokratischen Kandidaten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten, der stärksten Macht der Welt, bremst den Vormarsch des Nationalpopulismus. Biden ist kein perfekter oder inspirierender Kandidat. Aber er steht dafür, dass das Weiße Haus zur Mäßigung, zur Achtung demokratischer Prinzipien und Institutionen zurückkehrt sowie zum Dialog und Multilateralismus auf internationaler Ebene. Sein Erfolg ist ein Zeitenwechsel für sein Land und für den Westen."
"EL MUNDO" (Spanien)
"Joe Biden ist der gewählte Präsident der Vereinigten Staaten. Er reagierte mit einer Erklärung, dass er sich "geehrt" fühle durch "die Ehre, die mir das amerikanische Volk verliehen hat". Der amtierende Präsident Donald Trump weigert sich jedoch, das Ergebnis zu akzeptieren. (...) Aber die Chancen, dass Trump vor Gericht gewinnt, was er bei den Wahlen verloren hat, scheinen gering."
"THE NEW YORK TIMES" (USA)
"Nachdem das amerikanische Volk in den Abgrund des autokratischen Nationalismus geblickt hat, hat es sich entschieden, von der Kante wegzutreten. Die Auszählung der Stimmzettel wird noch ein paar Tage dauern, aber die Zahlen stehen: Joe Biden wird die 270 Wahlstimmen haben, die für den Einzug ins Weißen Haus erforderlich sind, und wahrscheinlich noch viele mehr. Der vier Jahre lang währende Angriff von Präsident Trump auf unsere demokratischen Institutionen und Werte wird bald beendet sein."
"THE WASHINGTON POST" (USA)
"Die aufrührerische Rhetorik von Präsident Trump im Angesicht seiner Wahlniederlage verdeutlichte die beispiellose Gefahr, der das Land nun durch einen verärgerten und verstörten Regierungschef ausgesetzt ist, der noch 75 Tage im Amt ist. Außer sich zu weigern, die Niederlage einzuräumen und das Klima durch falsche Betrugsvorwürfe zu vergiften, könnte Herr Trump mit Aktionen in seinen letzten Amtstagen unermesslichen Schaden anrichten, von der Entlassung kompetenter ranghoher Vertreter der Geheimdienste und im Bereich der nationalen Sicherheit bis hin zur Begnadigung seiner kriminellen Gesellen - und vielleicht auch sich selbst."
THE WALL STREET JOURNAL (USA)
"Herr Trump hasst es, zu verlieren, und zweifellos wird er bis zum Ende kämpfen. Aber wenn es zu einer Niederlage kommt, wird er sich selbst und seinem Land am besten damit dienen, indem er Amerikas demokratische Traditionen wahrt und sein Amt mit Würde verlässt." (apa)