"Man soll den Menschen entweder schmeicheln oder sie sich unterwerfen." Dieses Zitat wird Machiavelli zugeschrieben. Jahrhunderte später befolgt es der konservative Politiker Mitch McConnell, republikanischer Mehrheitsführer im US-Senat, wie kaum ein anderer Politiker auf Punkt und Beistrich.
McConnell, der es als zentraler Gegenspieler von Joe Biden in den kommenden vier Jahren wohl mit in der Hand haben wird, wie viel der neue Präsident von seiner Agenda durchbringt, brüstet sich damit, dass seine Feinde ihn "Darth Vader" nennen. In seiner eigenen Autobiografie erzählt er, dass er als Jugendlicher Schulsprecher werden wollte, aber leider keinen einzigen Freund hatte. Seine Mutter ermutigte ihn, es doch zu versuchen. Und er fand bald heraus, dass er die notwendige Unterstützung von den tonangebenden Athleten und Cheerleadern bekam, wenn er ihnen schmeichelte. Der Plan ging auf, McConnell wurde gewählt - und er war seitdem, so berichten es seine Biografen, süchtig nach öffentlichen Ämtern.
Ab dem Zeitpunkt, als er Provinzrichter in Kentucky wurde, hatte sich McConnell um einen Senatssitz beworben, denn er schließlich 1983 auch erobern konnte. Dass er sich so lange dort gehalten halt, schreiben politische Beobachter unisono zwei Talenten zu: Einerseits ist McConnell in Sachen Weltanschauung äußerst flexibel ("Nur nicht die Position einnehmen, die die Wähler vergrault", zitiert der "New Yorker" einen Weggefährten). Und andererseits hat McConnell es wie kaum ein anderer verstanden, Geld für seine Zwecke arbeiten zu lassen. Als Mensch, der nicht unbedingt mit dem Charisma geboren ist, das die Massen anzieht, war McConnell rasch klar, dass sein einziger Weg, an der Macht zu bleiben, nur über Wahlkampfspenden führen wird. Je mehr, desto besser. Dass McConnell deswegen oftmals Gesetze verhinderte, die politische Spenden eindämmen sollten, versteht sich von selbst. Beobachter erzählen fasziniert, dass, während alle anderen Politiker das Aufstellen von finanziellen Mitteln generell als mühsam empfinden, McConnell dabei aufzublühen scheint.
Mittlerweile ist der 78-Jährige der Herr über Milliarden von Dollar. "McConnell kontrolliert die erfolgreichste Fundraiser-Operation in der Geschichte", sagt der republikanische Analyst Rick Wilson. Unzählige scheinbar unabhängige Spender-Gruppen werden von ehemaligen Mitarbeitern betreut, die von anonymen Gönnern Millionen Dollar einnehmen. McConnells erklärtes Ziel: sein eigenes Überleben zu sichern und die republikanische Mehrheit im Senat zu verteidigen, die es ermöglicht, zentrale Gesetzgebungsprojekte des Präsidenten zu verhindern oder zumindest nachhaltig zu verwässern.
McConnell brauchte Trump
Über einen Mandatsüberhang in der zweiten Kammer verfügen die Konservativen seit der Ära Barack Obamas. Unter dem demokratischen Präsidenten wandelte sich McConnell vom Anführer der Minderheit (2006 bis 2014) zum Anführer der Mehrheit (ab 2015). Und das dürfte er auch bleiben, wenn es zumindest einem der beiden republikanischen Kandidaten bei den Stichwahlen in Georgia im Jänner gelingt, seinen Senatssitz zu verteidigen.
McConnell ist damit einer der mächtigsten Männer, vielleicht sogar der mächtigste Mann der USA. Der Mehrheitsführer bestimmt, was im Senat auf die Tagesordnung gesetzt wird und was nicht. So kann er unliebsame Anträge, die vielleicht sogar von beiden Seiten im Repräsentantenhaus mitgetragen werden, einfach aus der Welt schaffen. Während der Senat in den 1990ern über 300 Gesetze pro Jahr beraten hat, sind es zur Zeit McConnells nur rund 100. Es war McConnells ganzer Stolz, Obamas Vision einer gerechteren Verteilung zu blockieren, wo er konnte.
McConnell wurde von vielen als Mann hinter Trump beschrieben, jemand, ohne den der 45. Präsident der USA gar nicht funktionieren könnte. Trump, impulsiv und ahnungslos, was das institutionalisierte politische Geschäft betraf, brauchte McConnell, der die konservativeren Republikaner ebenso bei Laune hielt wie die Großspender. Über das Bündnis, das McConnell dann mit dem Präsidenten einging, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter der Trump-Administration zum "New Yorker": "Trump ist nach Washington gezogen, um den Sumpf trockenzulegen. Und nun arbeitet er mit der größten Sumpfkreatur von allen zusammen." Aber auch McConnell brauchte Trump. Denn in seinem Heimatstaat Kentucky ist der Senator äußerst unbeliebt - Trump war dafür umso beliebter. McConnells Beliebtheitswerte zogen aber an, als er alles daransetzte, um die Amtsenthebung Donald Trumps zu unterbinden. Republikaner durften nicht aussagen, Zeugen wurden blockiert und gar nicht vorgeladen.
Und McConnell machte klar, dass ihn das Ergebnis der Impeachment-Untersuchung nicht interessiere - denn die entscheidende Mehrheit zur Absetzung würden die oppositionellen Demokraten sowieso nicht zustande bringen. Und so kam es auch - auch wenn sich Politiker der Mitte immer mehr darüber wunderten, dass McConnell auch über etwaige Verstrickungen in der Ukraine partout nicht Bescheid wissen wollte.
Gemeinsame Vergangenheit
Ein ähnliches Desinteresse legte McConnell schon vor der Wahl 2016 zu Tage: John Brennan, CIA-Direktor unter Barack Obama, kontaktierte McConnell - und andere oberste Politiker - ob des dringenden Verdachts, dass Russland sich in die Wahlen einmischen würde. McConnell hatte zuerst fünf Wochen lang gar keine Zeit für eine Audienz. Und als Obama die Führer des Kongresses dazu drängte, ein Statement gegen die Wahleinmischung zu veröffentlichen, wurde es von McConnell bis zur Unkenntlichkeit verwässert - so, dass die Öffentlichkeit erst nach den Wahlen von der russischen Einmischung hörte.
Auch nach der Wahl blockiert McConnell zahlreiche Initiativen beider Parteien, um die Wahlen in Zukunft besser zu schützen. "Er ist der Verkehrspolizist, ohne dessen Okay man nicht auf die Straße kann", formuliert es der demokratischer Senator Dick Durbin frustriert. Unter McConnell sei die Idee des Senats komplett zersetzt worden, eine Debattenkultur wurde abgeschafft.
Mit dieser Armstärke verhinderte McConnell in der Obama-Ära auch die Nachbesetzung eines Obersten Richters mit einem liberalen Kandidaten 300 Tage vor der Präsidentschaftswahl. Es sei Sache des amerikanischen Volkes, und damit des nächsten Präsidenten, den Richterposten nachzubesetzen, argumentierte McConnell damals. Als Ruth Bader Ginsburg im Herbst dieses Jahres 87-jährig verstarb, wurde dagegen die konservative Richterin Amy Coney Barrett eine Woche vor der Wahl von McConnell durchgeboxt.
Biden und McConnell verbindet allerdings eine lange gemeinsame Vergangenheit, in der sich die beiden Männer in unterschiedlichen Rollen am Verhandlungstisch gegenüber saßen. Und nicht selten war es dabei gelungen, einen Kompromiss auszuhandeln. "Sie sind gut miteinander ausgekommen", sagt Rohit Kumar, McConnells ehemaliger Vize-Stabschef gegenüber der "New York Times". Ob diese Vergangenheit auch für die Zukunft reicht, ist allerdings noch ungewiss. So hat McConnell Biden bisher noch nicht als neuen Präsidenten anerkannt.