Jessica Hausner

Jessica Hausner und die rote Pflanze des Glücks: Ihr Psychothriller "Little Joe" dreht sich um ein sinnesverwirrendes Gewächs. - © Katharina Sartena
Jessica Hausner und die rote Pflanze des Glücks: Ihr Psychothriller "Little Joe" dreht sich um ein sinnesverwirrendes Gewächs. - © Katharina Sartena

Im vergangenen Mai hat die Wiener Regisseurin Jessica Hausner ihren bis dato größten Erfolg gefeiert: Ihr neuer Film "Little Joe" wurde zu den Filmfestspielen nach Cannes eingeladen. Das allein war noch nicht der Höhepunkt, zumal Hausner bereits ihren ersten Langfilm "Lovely Rita" (2003) hier zeigte. Aber "Little Joe" markiert ihren Eintritt in den Wettbewerb um die Goldene Palme, das ist so ziemlich der elitärste Zirkel, in den ein Filmemacher aufsteigen kann. Am Ende wurde ihre Hauptdarstellerin Emily Beecham mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet – ein toller Erfolg, auch für die Regisseurin, unter deren Anleitung die Darsteller ja spielen.

"Little Joe" ist ein Psychothriller, in dem Wissenschafter eine knallrote Pflanze züchten, die durch Abgabe von Duftstoffen ihre Besitzer glücklich machen soll. Dass dabei einiges schief geht, macht Reiz und Relevanz dieses formal strengen Films aus. Bei der Viennale wird der Film seine Österreich-Premiere feiern. "Ich wusste von Anfang an, dass diese Pflanze rot sein sollte, denn das ist eine Signalfarbe und hat etwas Archaisches an sich. Die Farbe suggeriert einerseits Liebe, aber auch Gefahr", sagt Jessica Hausner. "Als optisches Vorbild galt mir die Blutlilie. Ich fand sie exotisch und schön, auch ein bisschen lustig. Ich wollte, dass die Pflanze einen Charakter hat, wie ein Pinocchio, eine Puppe, die plötzlich zum Leben erwacht."

Überhaupt ist Hausner jemand, der beim Filmemachen sehr stark in Bildern denkt, das war schon in ihren frühen Kurzfilmen so. "Was mir am Filmemachern Spaß macht, sind Bildgestaltung und optische Umsetzung, weil mich Film- und Bildsprache faszinieren, weil sie die Wahrnehmung des Zuschauers beeinflussen kann. Daher sind meine Filme auf der visuellen Ebene auffällig und vielleicht auch exzentrisch. ‚Little Joe’ ist ein Genrefilm, der kein Genrefilm ist. Normalerweise liefern Genrefilme am Ende alle Antworten zu den Fragen, die sich aus dem Film ergeben. Das gibt es bei ,Little Joe’ nicht. Denn da gibt es zumindest zwei mögliche Antworten, die am Ende stehen. Es ist eine große Ironie über das Genre selbst."

Einfache Auflösungen, wie man sie aus dem Fernsehfilm kennt, sind Hausners Sache nicht. Dazu ist sie auf der Wiener Filmakademie zu lange in die Regieklasse von Michael Haneke gegangen, der zu einem ihrer Mentoren wurde. Nach dem Studium gründete Hausner zusammen mit Martin Gschlacht, Barbara Albert und Antonin Svoboda die bis heute höchst erfolgreiche Produktionsfirma Coop 99.

Die Stilistik ihrer Filme ist stark geprägt von einem formalen, auch strengen Zugang zur Bildgestaltung. In "Hotel" (2004) inszenierte sie die entrischen Flure eines Hotels, in "Lourdes" (2009) die Wunderheilung einer Schwerkranken, in "Amour Fou" (2014) den Freitod Heinrich von Kleists – und jeder Film ist eine besondere künstlerische Erfahrung. Per se österreichisch ist dabei wenig. "Ich glaube, es gibt keinen Zusammenhang zwischen Wien und meinen Filmen. Ich habe von Anfang an versucht, keine österreichischen Filme mit Lokalkolorit zu machen, und das ist mir, glaube ich, ganz gut gelungen", sagt Hausner, die allerdings beim Humor dann doch die Heimat durchblitzen sieht: "Was mir gefällt, ist der schwarze Humor: Die Wienerlieder, die vom Sterben handeln, das ist etwas, wo ich denke, dass ich doch eine Wienerin bin. Diese Fähigkeit zu haben, in einem schlimmen Moment noch einen Witz draufzusetzen, das ist sehr Wienerisch."

Hausner wurde 1972 in eine Künstlerfamilie geboren: Ihr Vater war der bekannte Maler Rudolf Hausner. Da liegt die Frage nahe: Inwieweit spiegelt sich die Malerei des Vaters in der eigenen künstlerischen Arbeit? "Meine Arbeiten sehe ich eher als eine Art Gegenposition zum Werk meines Vaters, und zwar besonders, weil mein Vater realistisch gemalt hat, auch, wenn das ein phantastischer Realismus war", sagt Hausner. "Ich erinnere mich, dass ich schon als
Teenager eine Gegenposition dazu eingenommen hatte, indem ich ein Fan von Joseph Beuys war. Der stellte ein Kaffeehäferl auf den Tisch und sagte, das ist Kunst, weil er eben sagte, das sei Kunst." Diese frühe "Rebellion" gegen den Vater hat sich ausgezahlt: Jessica Hausner hat sich als Filmkünstlerin etabliert und spielt jetzt in der Oberliga der Filmregisseure mit. (greu)