Von Herrn Ferrara kann man fast alles haben. Zum Beispiel, dass er einem ein Ständchen auf der Mundharmonika bringt oder im Interview recht wirre, wenngleich doch schlüssige Antworten parat hat. Leider kein Video gibt es von unserer Begegnung mit Ferrara, als er bei einem Interview in Venedig vor rund zehn Jahren mitten im Satz einfach eingeschlafen ist. Die umsitzenden Journalisten waren ratlos. War Ferrara alkoholisiert? War er auf Drogen? War er gerade gestorben? Mitnichten. Ferrara erwachte nach 30 Sekunden wieder aus dem Tiefschlaf, und setzte seinen Satz genau dort fort, wo er ihn unterbrochen hatte.

Nun kommt dieses "Enfant terrible" des Weltkinos also nach Wien, wo ihm die Viennale den Teppich ausrollt. Ferrara, der New Yorker mit italienischen Wurzeln, der Meisterwerke wie "Bad Lieutenant" gedreht hat, "Body Snatchers", "King of New York" oder "Fear City". Der sich aber auch in TV-Serien wie "Miami Vice" verdingte und später wenig beachtete Spielfilme wie "California" oder "The Addiction" drehte.
"Seit ungefähr vier Jahren bin ich vollkommen clean", verrät Ferrara, 63, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" am Rande des Filmfestivals von Venedig vergangenen September. "Glauben Sie mir, bisher sah ich mein Leben noch nie so klar vor mir wie jetzt". Ja, glauben wir ihm.

"Seit ungefähr vier Jahren bin ich vollkommen clean", verrät Ferrara, 63, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" am Rande des Filmfestivals von Venedig vergangenen September. - © Katharina Sartena
"Seit ungefähr vier Jahren bin ich vollkommen clean", verrät Ferrara, 63, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" am Rande des Filmfestivals von Venedig vergangenen September. - © Katharina Sartena

Ferrara hat alle Höhen und Tiefen des Filmgeschäfts durchgemacht, und auch alle privaten Ups and Downs erlebt. Gerne umgibt er sich heute mit (viel) jüngeren Damen, aber die Zeiten der Drogen- und Sex-Orgien scheinen endgültig vorüber. Gut so, denn seit Ferrara clean ist, dreht er auch wieder gute Filme. "Pasolini" ist geradezu ein Meisterwerk eines Geläuterten. Wir haben den Film bereits in Venedig gesehen (siehe HIER). Es geht um die letzten Stunden im Leben des italienischen Filmemachers und Intellektuellen Pier Paolo Pasolini, der 1975 am Strand von Ostia brutal ermordet worden war.

"What the fuck? Dieser Mann war der Größte."

Über "Pasolini", in diesen letzten Stunden seines Lebens brillant dargestellt von Willem Dafoe, spricht Ferrara nur in höchsten Tönen. Auch Pasolini gehörte zu den Außergewöhnlichen Filmtalenten der Filmgeschichte, und es ist, als hätte da ein "Enfant terrible" dem anderen ein (sehr würdiges) Denkmal gesetzt. "Ich habe seine Bildsprache geradezu in mich aufgesaugt", sagt Ferrara. "Ich dachte nur: What the fuck? Dieser Mann war einfach der Größte. Vielleicht", sagt Ferrara, "ist der Grund, weshalb ich mich Pasolini so nahe gefühlt habe, der, dass wir beide Italiener sind."