Ein Idyll wie jenes in "Kater" von Regisseur Händl Klaus findet man selten: Voller Harmonie, voller Einklang verläuft die zärtliche Beziehung zwischen dem Orchesterhornisten Stefan (Lukas Turtur) und dem Disponenten Andreas (Philipp Hochmair). Es könnte nicht besser sein, denn die beiden teilen nicht nur eine berufliche Leidenschaft, sondern auch Tisch und Bett in einem modernen Wiener Vorstadthaus und einen gemeinsamen Hauskater, der dem Film seinen Titel gibt; privat führen sie eine intime Liebesbeziehung, in der Lust und Sex ganz ähnlich leidenschaftlich ausgelebt werden, wie die Liebe zur Musik. Als eines Tages jedoch ein kurzer Gewaltausbruch von einem der beiden zu dramatischen Folgen führt, ist nichts mehr so, wie es zuvor war: Das Idyll beginnt zu bröckeln.
Händl Klaus hat mit "Kater" bei der Berlinale im Februar den queeren Teddy-Award für den besten Spielfilm gewonnen. Auch, weil seine Geschichte so selbstverständlich leichtfüßig von einer homosexuellen Beziehung berichtet, ehe hier genau das Einzug hält, was der Regisseur den "blinden Fleck, den wir in uns tragen", nennt.
Um die Intimität der Geschichte und den radikalen Bruch mit ihr umsetzen zu können, brauchte Händl Klaus zehn Drehwochen, die auf eineinhalb Jahre verteilt waren. "Wir wussten, dass die Arbeit mit dem Tier viel Zeit beanspruchen würde und dass wir von den wirklich intimen Szenen, nicht unbedingt die Nacktheit selbst, sondern auch die Dialoge, Blicke und Gesten, dass wir von diesen also nicht mehr als zwei Szenen pro Tag ansetzen können, weil die für die Schauspieler und für mich sehr anstrengend sind", sagt Händl Klaus. "Da habe ich lieber überlegter gearbeitet, denn ich selbst brauche viel Zeit und kann und will nicht so wirklich aus der Hüfte schießen".
Vor allem der Film-Kater benötigte Geduld von allen Seiten: "Wir warteten einmal drei Tage und Nächte, dass sich der Kater genau dorthin setzt, wo wir ihn gebraucht haben und wo es ausgeleuchtet wird", sagt Schauspieler Philipp Hochmair. "Wir haben alle möglichen Tricks angewendet, um ihn zu überzeugen. Wir haben drei Monate mit dem Kater in einem Haus gelebt, damit er Teil unserer Geschichte wird und sich das Ganze organisch gewachsen anfühlte."
Gewaltgelüste
Im Kern erzählt "Kater" von der stetigen "Möglichkeit zur Gewalt", wie Händl Klaus es ausdrückt. "Davon, dass es in allen von uns diese unterschwelligen Gewaltgelüste gibt, ich kenne das von mir selbst. Man lässt sie aber niemals hinaus, gibt ihnen nicht nach, und doch sind sie da, vor allem gegenüber geliebten Menschen", so der Regisseur. "Ich glaube, diese Möglichkeit zur Gewalt ist Teil unserer Natur und hat mit dem Überlebenstrieb zu tun. Es könnte aber auch sein, dass sie ein Ventil dafür ist, dass man sich auch schuldig fühlen kann, weil man in Wohlstand und Frieden lebt, was viele Menschen nicht haben, weil sie eben nicht hier geboren wurden."
Händl, geboren 1969 in Rum, hatte sich lange vor seiner Karriere als Regisseur schon als Schriftsteller etabliert und seit seinem Erstlingsfilm "März" (2008) richtig Feuer gefangen für die bewegten Bilder. "März" wurde damals in Locarno mit dem Silbernen Leoparden für den besten Erstlingsfilm prämiert.
"Meine Filme sind sehr persönlich, und ich brauche sehr lange, um sie zu entwickeln", sagt der Regisseur. "Ich nehme mir Zeit und deshalb höre ich sofort, wenn etwas richtig ist, und da schlage ich dann auch zu. Das ist so etwas wie eine Suchbewegung. Ich bin auf der Suche nach dem einzigen, dem richtigen Moment." Eine Sensibilität, die es gerade auch für intime Szenen braucht.
Davon gibt es in "Kater" genug. "Aber wir haben niemals lange über Homosexualität oder Sexszenen gesprochen", sagt Hochmair, der einige sehr explizite Sexszenen zu spielen hat. "Wir haben lange darüber gesprochen, wie wir Nacktheit filmen können oder was gebraucht wird, damit es natürlich wirkt. Aber es ging nie darum, ob das schwierig ist. So etwas zu spielen, ist Teil meines Jobs."
Für Händl Klaus sind Hochmair und Turtur jedenfalls echte Glücksgriffe: "Ihre Schauspielkunst besteht oft nur aus einem Blick, in dem Gefühle vermittelt werden. Dazu sind wirklich nur ganz große Schauspieler in der Lage."