"Wiener Zeitung": Frau Sangiorgi, Sie leben als neue Leiterin der Viennale jetzt seit vier Monaten in Wien. Wie fühlt sich das an?

Eva Sangiorgi: Es ist sehr schwer, ein Festival zu organisieren, wenn es so heiß ist (lacht), aber da genieße ich es, bei Screenings viel Zeit in dunklen Räumen zu verbringen. Doch Spaß beiseite: Ich bin aus Mexico City, wo ich das Filmfestival Ficunam geleitet habe, nach Wien gekommen, und das bedeutet eine große Veränderung und auch eine große Herausforderung: viel Stress, viele neue Informationen, viele neue Menschen. Doch nun, da sich der Programmierungs-Prozess für die Viennale 2018 dem Ende zuneigt, bin ich erleichtert. Und ich habe das Gefühl, dass wir vor einem starken Festival stehen.
Fällt die Umstellung schwer?
Ich bin froh, dass die Viennale ein tolles Team hat. Aber es ist nicht einfach, in einer Fremdsprache zu arbeiten. Nach 16 Jahren in Mexiko war ich sehr firm auf Spanisch, während ich mich nun auf das Englische umgestellt habe. Und natürlich stört es mich, dass ich nicht alles verstehe, wenn rund um mich Deutsch gesprochen wird. Da fehlt mir die Kontrolle. Was zum Beispiel die deutsche Version des Festival-Katalogs betrifft, muss ich den Leuten einfach vertrauen. Ich nehme zwar Deutsch-Unterricht, aber jetzt, bei der Vorbereitung meiner ersten Viennale, hat das nicht die oberste Priorität.
Werden Sie Ihre Eröffnungs-Rede bei der Viennale auf Deutsch halten?
Das weiß ich noch nicht. Natürlich könnte ich etwas einstudieren. Die Aussprache des Deutschen fasziniert mich sehr, und da wiederum die wienerische Sprechweise.
Ihr Vorgänger Hans Hurch war berühmt für seine sehr politischen Eröffnungs-Ansprachen mit starkem Österreich-Bezug. Gehen wir recht in der Annahme, dass Sie diese Tradition nicht fortsetzen werden?
Ja. Ich komme von außen nach Österreich und ich kenne auch die Reden von Hans Hurch nicht. Ich möchte aber festhalten, dass die Eröffnungen meines Ficunam-Festivals in Mexico City durch meine Reden stets auch sehr politisch waren.
Was dürfen wir von Ihrer ersten Viennale erwarten?
Ich respektiere und ehre das Vermächtnis, das Hans Hurch der Viennale hinterlassen hat. In dem Sinne, dass die Viennale ein Festival mit einem sehr breiten Filmangebot ist, das ohne Wettbewerb präsentiert wird. Ein Festival, das berühmte Namen bringt, aber auch unbekannte Talente unterstützt. Zugleich habe ich einen anderen Blick als Hurch, aber das gleiche Interesse am Film. Ich werde einen Schwerpunkt auf das experimentelle Kino legen und auf junge Filmemacher, die eine sehr frische Filmsprache sprechen. Außerdem heben wir dieses Jahr die Trennung zwischen Spielfilm und Doku auf. Damit will ich verdeutlichen, dass Spielfilm und Dokumentarfilm die gleiche Bedeutung haben, auch wenn das vielleicht manche Besucher provozieren mag.