Die Beziehung zwischen den Wiener Festwochen und dem Wiener Theaterpublikum ist im Grunde stabil; sie basiert auf einem über Jahrzehnte hinweg gewachsenen Vertrauensverhältnis. Auch wenn es in dieser Verbindung immer wieder zu kleineren oder größeren atmosphärischen Störungen kam, das eine oder andere geladene Gastspiel keineswegs rundum beglückte - im Großen und Ganzen konnte man sich auf die Festwochen verlassen: Sie waren und sind ein Schaufenster zum Welttheater, mit großen Namen und neuen szenischen Zugängen, Stars und Avantgarden.

Der neue Intendant des Festivals, Tomas Zierhofer-Kin, 48, krempelte die Festwochen 2017 gehörig um. Nicht immer zum Vorteil des Bühnenfestivals. Die weitgehende Abwesenheit wegweisender Aufführungen bei gleichzeitiger Dominanz performativer Versuchsanordnungen sowie die Zersplitterung des Programms in unterschiedliche Mini-Festivals ergaben ein disparates Gesamtprogramm, das für ein an szenischen Abenteuern interessiertes Publikum nicht selten enttäuschend war.

Was lief schief? Vier Gründe, weshalb die solide Beziehung zwischen den Festwochen und ihrem Theaterpublikum heuer auf die Probe gestellt wurde.

Verschwurbelte Kommunikation 

Das Genre Programmheft ist allgemein kein einfaches. In wenigen Worten sollen die Wegweiser Künstler und Werk gerecht werden, neugierig auf die Aufführung machen. Die Festwochen 2017 brillierten in der Kunst des kuriosen Durcheinanders von Kuratoren-Deutsch und PR-Sprech. Das Gastspiel des hierzulande gänzlich unbekannten brasilianischen Kollektivs Macaquinhos wurde beispielsweise so angekündigt: "Es geht um den Anus. Die demokratischste und tabuisierteste Körperöffnung von allen." Und weiter: "In einer gewalttätigen Welt provozieren Macaquinhos durch taktische Softness, die Totalität ihrer radikalen Verletzlichkeit strotzt vor choreografierter Körperpoesie". Noch Fragen?

Inhaltsleere Theorie 

Theorie kann ungemein fesselnd sein. Im Idealfall vermag sie neue Perspektiven zu erschließen. In den weniger geglückten Fällen wird sie zu hohler Phrase degradiert. Die theoretische Munitionierung kann dann eine gewisse Inhaltsleere nur schlecht verdecken. An dem Phänomen laborieren nicht nur Strömungen zeitgenössischer Kunst; auch die Festwochen kränkelten heuer daran. Etliche Denkansätze zu Postkolonialismus und Oriental- und Queer-Studies sowie altbekannte Ideen von Zuschauer-Partizipation mündeten nicht selten in banal-belangloses Bühnenspiel. Beispiele: "House of Realness", "Agora", "Hamamness".

Aufgesetzter Aktivismus

Der sogenannte "social turn" ist derzeit à la mode, er befragt die Kunst nach ihrer politischen Relevanz, strebt Teilhabe gesellschaftlicher Randgruppen an und rückt gesellschaftspolitische Aspekte in den Vordergrund. Die Festwochen widmeten sich auch diesem Komplex. Jedoch mit fragwürdigem Ausgang. Vielleicht bräuchte es für diese Formen szenischer Aufarbeitung andere Formen der Präsentation? Im herkömmlichen Theaterambiente wirkten die Produktionen jedenfalls deplatziert.

Stilcode-Süppchen statt Musiktheater 

Es gehört zu den Pointen dieser neuen Festwochen, dass sie klassische Opern für belanglos halten, in ihrer Musiktheaterschiene aber ein Stilcode-Süppchen von vollendeter Irrelevanz servierten. In inhaltsarmen Stunden tanzten queere Fernostorgiasten zu hippen Beats ("Ishvara"); die von allen dramatischen Geistern verlassene "Parsifal"-Novität mit Neoregisseur Jonathan Meese erstickte in einem Beliebigkeitstrash aus Elvis, Zardoz und Wagner-Schredderklang: ein Fiasko.