Die Debatte zum Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes wird von der zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures um 12.13 Uhr eröffnet.

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Jörg Leichtfried (SPÖ): "Das ist ein schwarzer Tag für Österreich als Kulturland und Medienstandort. Ich möchte Ihnen am Anfang etwas vorlesen, was am Mittwoch, den 8. August 1703, in der Erstausgabe der "Wiener Zeitung" stand [. . .] Dazwischen liegen 320 Jahre österreichische Geschichte, 320 Jahre kulturelles Erbe. Die Zeitung wurde von Generation zu Generation weitergetragen, diese Zeitung hat im Laufe ihrer Geschichte so viele wichtige Ereignisse dokumentiert wie keine andere.

SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried. 
- © Daniel Novotny

SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried.

- © Daniel Novotny

Und diese Tageszeitung wird jetzt von dieser Regierung und von diesen Abgeordneten, die diesen Vorschlag unterstützen, einfach liquidiert. Das ist eine medienpolitische und kulturpolitische Schande. Gerade in Zeiten von Fake News ist seriöser Journalismus dringender notwendig denn je. Dieser türkis-grüne Zerstörungsakt ist beispielhaft für unfassbare Ignoranz, Abgehobenheit und Wurschtigkeit, was Medienpolitik, Demokratiepolitik und Kulturpolitik betrifft.

In Sonntagsreden sprechen Sie immer von Qualitätsjournalismus, sprechen davon, wie wichtig Medienvielfalt und Meinungsvielfalt ist, um abseits der Sonntagsreden eine Qualitätszeitung kaltschnäuzig zu killen. Und ich sage jenen, die das nicht wollen: Ihr seid mit eurem Protest nicht alleine. Ich sage jenen über 200 Institutionen: Wir stehen hinter euch, wir werden alles tun, um zu verhindern, dass diese Zeitung liquidiert wird.

Sie versuchen auch die Journalismus-Ausbildung zu verstaatlichen, in dem sie das Geld, das die "Wiener Zeitung" bräuchte, dazu verwenden, um im Bundeskanzleramt Journalistinnen und Journalisten auszubilden. Wie soll das gehen? Die Mediensprecher der ÖVP machen dann Journalismus-Ausbildung? Das ist nicht das, was wir uns unter Journalismus-Ausbildung vorstellen.

200 Millionen Euro schmeißen Sie jedes Jahr für Regierungspropaganda heraus, aber die "Wiener Zeitung" wollen Sie nicht finanzieren. Das ist ein Skandal. Wir geben Ihnen noch eine Chance. Wir werden einen Rückverweisungsantrag einbringen. Entschließen Sie sich noch, dem zu folgen, und das Ganze im Verfassungsausschluss noch zu debattieren.

Überlegen Sie sich gut, ob sie als Totengräberin, als Totengräber der ältesten Zeitung der Welt in die Geschichtsbücher eingehen wollen. Wenn Sie das tun, dann schreiben sie heute österreichische Geschichte. Aber das werden Sie nicht still und heimlich tun, Sie werden das mit ihrem Namen machen müssen. Wir werden nämlich diese Abstimmung namentlich machen.

ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger 
- © Daniel Novotny

ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger

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Kurt Egger (ÖVP): "Bei der "Wiener Zeitung" ist die Finanzierungsgrundlage weggefallen und daher ist es notwendig gewesen, zu überlegen, wie wir die "Wiener Zeitung" auch für die Zukunft erhalten können. Die Pflichtveröffentlichung war die Grundlage der Finanzierung und die erspart den heimischen Unternehmerinnen und Unternehmern 20 Millionen Euro. Wir haben uns dafür entschieden, die "Wiener Zeitung" in ein digitales Zeitalter zu begleiten. Der Medienkonsum verändert sich und wir sind da der Wegbereiter und der Begleiter. Es wird aber auch weiterhin ein Printprodukt geben. Die "Wiener Zeitung" wird eine unabhängige Redaktion haben mit einem Statut und damit ist die Qualität gesichert. Die oft kritisierte Weiterbildungsmöglichkeit wird Jungjournalisten die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln, weil diese Weiterbildungsmöglichkeit in Kooperation mit den heimischen Medien stattfinden wird."

Eva Blimlinger (Grünen): Kollege Egger hat es schon ausgeführt, was diese Bundesregierung alles dazu getan hat, in den letzten drei Jahren, um diesen Medienstandort abzusichern. Wenn man sich die letzten 25 Jahre der Bundesregierungen anschaut, haben wir in drei Jahren gemacht, was vorher in 25 Jahren nicht passiert ist. Vor drei Jahren aber war es so, dass am Beginn des Jahres 2022 wir mit dem Umstand konfrontiert waren, eine EU-Richtlinie umzusetzen, die 2019 beschlossen wurde und mit 2021 hätte umgesetzt werden müssen. Nämlich jene, dass es keine Pflicht-Veröffentlichungen mehr im Amtsblatt geben muss und - wie schon ausgeführt- das Amtsblatt die "Wiener Zeitung" finanziert und zwar mehr oder weniger ausschließlich. Und damit war die Situation gegeben, dass wir uns überlegen mussten: Wie geht das weiter mit der "Wiener Zeitung"? Und glauben Sie mir: Ich bin Historikerin, bin sehr an Kulturgut, an historischen Dingen interessiert. Ich gehe meinen Kollegen und Kolleginnen immer mit solchen Fragen, die Archive betreffen, wahnsinnig auf die Nerven, und so war das am Anfang auch, dass ich selbstverständlich der Meinung war: Wir müssen einen Weg finden, wie wir die "Wiener Zeitung" im Print erhalten müssen. Das haben wir auch versucht, vielfältig mit Investoren gesprochen, über mögliche Konzepte, die keine waren. Und es war natürlich so, dass wir alles sehr genau geprüft haben, und leider, muss ich sagen, hat nichts irgendwie von dem, was uns da angeboten wurde, nur ansatzweisen einer operationalisierten Lösung entsprochen, so leid es mir tut.

Grünen-Verhandlerin Eva Blimlinger. 
- © Daniel Novotny

Grünen-Verhandlerin Eva Blimlinger.

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Und so war der Entschluss zu sagen: Okay, wir gehen einen neuen weg, wir transformieren die "Wiener Zeitung" in eine Digitalzeitung, Print ist, Sie wissen das, in schwierigen Umständen, wir wissen das vom "Kurier", wir wissen das von der "Kleinen Zeitung". Ich gehöre noch zu dieser Generation, die Abonnements in Papier hat. Viele Kolleginnen/Kollegen anschaue, die 30 Jahre jünger sind, fragen mich, ob ich irgendwie noch ganz dicht bin, warum ich sowas im Print lese, sie lesen alles digital. Und so wird das, so schwer es uns gefallen ist, auch für die "Wiener Zeitung" sein.

Es ist jetzt schon ein digitales Projekt in Vorbereitung. Hier arbeiten sehr viele junge Journalistinnen und Journalisten, Redakteure, die natürlich einen ganz anderen Blick auch auf die Zukunft haben als wir, die, ich sag ich jetzt einmal, kurz vor der Pension stehen. Also da es geht schon darum, in die Zukunft zu weisen und dieses Zukunftsprojekt in der "Wiener Zeitung" findet statt, und das freut mich sehr, dass es diesen Wandel geben wird und dass wir die "Wiener Zeitung" umstellen.

Und vielleicht ein Wort zur SPÖ. Zunächst danke, dass Ihr mitgeht bei der Transparenz. Die uns ja besonders wichtig ist, um auch an die vorige Diskussion, um an den Untersuchungsausschuss anzuschließen. Es ist dringend notwendig, so eine Inseraten-Transparenz zu haben. Aber andererseits muss ich sagen: Frau Rendi-Wagner hat irgendwie ihren Appell am Anfang ihrer Rede gerichtet. Die ersten, die ihre Zeitung eingestellt haben, war die Sozialdemokratie, die ihre Zeitung ["Arbeiterzeitung", Anm.] 1998 verkauft hat, weil sie nicht mehr rentabel war, Das waren genau solche Investoren, wie für die "Wiener Zeitung". Und 3 Jahre später musste sie liquidiert werden, und zwar im Sinne eines tatsächlichen Konkurses. Da war noch gar nicht von online etc. die Rede. Also was das Einstellen von Zeitungen betrifft, hat die SPÖ hier Routine und es wundert mich, dass Sie das nicht sehen, dass es heute ungleich schwieriger ist, ein Printmedium zu erhalten als damals.

Und noch ein Wort zum Schluss. Es ist heute der 27. April und vor 78 Jahren haben sich KPÖ, ÖVP, SPÖ und einige unabhängige im Wiener Rathaus zusammengefunden, um die Unabhängigkeitserklärung zu unterzeichnen. Mauthausen war zu dem Zeitpunkt noch nicht befreit, aber Wien war durch die Rote Armee befreit. Und wie dieser Neuanfang war, genauso ist es heute mit einem Neuanfang für die älteste Tageszeitung der Welt, so leid es mir tut. Es ist ein Neuanfang. Es ist ein Weg in die Zukunft.

Beate Meinl-Reisinger (Neos): "Wenn ich Ihnen zuhöre, was die ziele ihrer Medienpolitik waren - die Erhaltung der Medienvielfalt in einem so kleinen Markt wie in Österreich, das Aufhalten von Fake News, die Stärkung des Öffentlich-Rechtlichen -, dann muss ich zum Schluss kommen, dass Sie auf ganzer, ganzer Linie scheitern, und ich weiß nicht, ob das Unfähigkeit ist oder Kurzsichtigkeit oder Niedertracht oder einfach nur Überheblichkeit der Macht, dass es so kommt, aber einer dieser Punkte ist es garantiert.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. 
- © Daniel Novotny

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

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Ich bin davon überzeugt, deshalb habe ich mich heute auch zu Wort gemeldet, dass Sie einen historischen Fehler in Ihrer Medienpolitik begehen, dass wir in zehn Jahren zurückblicken werden auf das Jahr 2023 und sagen werden: Da ist es gekippt. Und das ist das Ergebnis Ihrer völlig unfähigen und abgehobenen Medienpolitik. Sie sind Totengräber der Medienvielfalt, Totengräber der Demokratie, und das werden wir in zehn Jahren garantiert sehen.

Sie begraben heute die "Wiener Zeitung" und gleichzeitig starten Sie eine staatliche Journalistenausbildung im Bundeskanzleramt. Viktor Orban wäre wirklich sehr stolz auf das, was Sie hier schaffen. Das ist ja unglaublich. Gleichzeitig statten Sie den ORF mit einer Haushaltsabgabe, ja mit einer Zwangssteuer, und zwar üppigst aus, mit über einer Milliarde Euro, während Sie freien, den anderen Medien, die derzeit um ihr Überleben kämpfen, denen geben Sie Brosamen. Das wird keine Medienvielfalt geben, sondern das ist in der Methode Kuba und im Ergebnis Ungarn, das Sie hier schaffen. Staatlicher De-facto-Monopolismus, nicht nur bei der Frage des Rundfunks, sondern auch im Bereich der digitalen Medien. Sie brauchen nur schauen, was in den anderen Medienhäusern passiert. Da droht nicht nur ein Kahlschlag, der hat schon längst stattgefunden. Die müssen einsparen, nicht der ORF.

Es wird keinen "Kurier" mehr geben, keine "Kleine Zeitung", kein "Profil". Das ist das Ergebnis ihrer Medienpolitik. Der FPÖ ist das wurscht, die setzen auf Lautstärke in den sozialen Medien und werden damit auch durchdringen. Aber genau das, was die Demokratie ausmacht, die Debatte, der Diskurs, die differenzierte Position, die tragen Sie heute und mit dem ORF-Gesetz, das kommen wird, zu Grabe. Da gratuliere ich Ihnen.

Michaela Steinacker (ÖVP): "Ich glaube es ist unbestritten, wir leben in einer extrem schnelllebigen Welt, unser Alltag ist schnelllebig, der Konsum von Medieninhalten ist schnelllebig geworden und wir informieren uns aus den verschiedensten Kanälen. Und liebe Beate, auch du, glaube ich, liest nicht mehr jede Zeitung auf Papier, auch du hast ein Smartphone, und wenn ich schaue, wer in der Früh wie die Zeitung liest, dann sind das Menschen in der Straßenbahn, in der U-Bahn und im Zug mit dem Handy. Die lesen am Handy und das ist das, was die Menschen, die Bürger in diesem Land wollen: Information, schnell, einen Redaktionsschluss, der praktisch nie ist. Egal, wann sie aufs Handy schauen, sie wollen die Info zu dem Zeitpunkt haben und viele, viele Medien in diesem Land sind bereits den Schritt in die Digitalisierung gegangen und das ist ja genau das, was wir brauchen.