Feine Gewänder, rauschende Feste und teure Freizeitvergnügungen: Sein kostspieliger Lebenswandel brachte Wolfgang Amadeus Mozart immer wieder in finanzielle Bedrängnis, auch wenn er mit seiner Musik gutes Geld verdiente. Im Jänner 1783 versuchte er wieder einmal, das Geschäft anzukurbeln. Und zwar mit Hilfe der "Wiener Zeitung". Per Inserat kündigte "Herr Kapellmeister Mozart" einem "hochansehnlichen Publikum die Herausgabe drey neuer erst verfertigter Klavierconzerten" an. Sie würden allerdings "erst Anfangs Aprils d. J. zum Vorschein kommen" und nur denjenigen "zu Theile werden, die sich darauf subscribirt haben". Wer also bereit war, schon im Vorhinein zu bezahlen, sollte die händisch kopierten Noten später erhalten.

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791) mit geschichtsträchtiger "WZ"-Ausgabe aus 1789.
- © Bilder: DEA / A. Dagli Orti / getty; Archiv. WZ-Montage: Ph. AngelovUm sich auf die Liste setzen zu lassen, musste man beim Salzburger Kompositeur höchstpersönlich anklopfen. Er residierte ja bereits seit einiger Zeit in der Donaumetropole: "Seine Wohnung ist auf der hohen Brücke im klein Herbersteinischen Haus Nr. 437 im dritten Stock".
Ein "wahres Wunder"
Dass die Werbeaktion nicht sofort Scharen von Musikbegeisterten zum Domizil in der Wipplinger-straße im heutigen 1. Bezirk lockte, geht aus einem Brief Mozarts an seinen Vater Leopold hervor. Ob es daran lag, dass die Werke "zu teuer" angeboten wurden, wie der Senior meinte? Der Sohn hielt den in der Anzeige genannten horrenden Preis von "4 Ducaten" für angemessen. Jedenfalls habe er "nun schon zum dritten Male im Wiener Diarium" inseriert!
Apropos "Wiener Diarium": Das Blatt trug zwar seit 1780 den Titel "Wiener Zeitung", doch im Volksmund sollte sich die Kurzbezeichnung "Wiener Diarium" noch lange halten. Offiziell hatte die 1703 gegründete Gazette nie so geheißen, sondern "Wien(n)erisches Diarium".
Auch Leopold Mozart (1719 bis 1787) hatte in der Vergangenheit bereits seine Erfahrungen mit der Zeitung gemacht. Ihr guter Ruf und ihre große Reichweite hatten schon früher geholfen, den Ruhm seiner begnadeten Familie in der Monarchie zu verbreiten. So druckte das "Diarium" anno 1764 eine Hymne auf die Mozarts, die sich damals gerade auf Konzertreise in Paris befanden. Tochter Maria Anna (1751 bis 1829), besser bekannt unter ihrem Kosenamen Nannerl, "spielet das Clavier in Vollkommenheit", hieß es in dem Bericht. In den höchsten Tönen wurde besonders ihr viereinhalb Jahre jüngerer Bruder Wolfgang gelobt: Der damals Achtjährige sei "ein wahres Wunder" und weise "alle Känntnüß und Fertigkeit eines Capellmeisters" auf.
Sprengstoff aus Paris
Zurück ins Wien der 1780er, wo unter der Alleinherrschaft des "Reformkaisers" Joseph II. zumindest zeitweise ein frischerer Wind wehte. Zu unserem Blatt hatte das Genie aus Salzburg nicht nur eine rein geschäftliche Beziehung. Seit 1782 leitete ein Mann die Redaktion, der mit Mozart einiges gemeinsam hatte: Conrad Dominik Bartsch (1759 bis 1817). Beide vertraten demokratische Ideale, beide waren Freimaurer, beide ließen ihre Überzeugungen in ihr Schaffen einfließen. Aufklärerisches, ja revolutionäres Gedankengut leuchtet immer wieder aus Mozarts Werken hervor. Die 1791 in Wien uraufgeführte Oper "Die Zauberflöte" ist wohl das bekannteste unter etlichen Beispielen.
Dem Journalisten Bartsch standen andere, publizistische Mittel zur Verfügung, um für seine Ideen zu kämpfen. Obwohl die "Wiener Zeitung" auch unter Joseph II. keineswegs von der Zensur befreit war, gelang es dem jungen Blattmacher, freigeistige Akzente zu setzen. Sein größter Erfolg: Er druckte die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in deutscher Übersetzung und vollem Wortlaut, und zwar in zwei Teilen, am 9. und 16. September 1789.
"Alle Menschen sind frey geboren, und bleiben frey und gleich in Ansehung der Rechte." Oder: "Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens. Alle Bürger haben das Recht, persönlich oder durch ihre Stellvertreter das Gesetz machen zu helfen; es muß für alle gelten (. . .)". Oder: Jeder Bürger kann "frey reden, schreiben und drucken lassen". Solche Aussagen, die nun dank "Wiener Zeitung" im ganzen Habsburgerreich gelesen werden konnten, waren Sprengstoff für absolute Monarchien. Das sah bei aller Fortschrittlichkeit auch Joseph II. so.
Nachdem der Regent nur wenige Monate später, am 20. Februar 1790, gestorben war, änderte sich das politische Klima. Wer sich für Demokratie einsetzte oder in Verdacht stand, mit der Französischen Revolution zu sympathisieren, war in ernster Gefahr. Es kam zu Denunziationen, Verhaftungen und Todesurteilen. Bartsch, dessen Haltung den Behörden bekannt war, entging dem nur knapp. Ein Spitzel schwärzte den Journalisten 1791 an und schrieb an Kaiser Leopold II., die "WZ" fange an, "allmälig sehr gefährlich zu werden". Dass Bartsch es schaffte, sich trotzdem noch einige Jahre auf seinem Posten zu halten, ist bemerkenswert.
In der Rauhensteingasse
Als in der Nacht auf 5. Dezember 1791 Mozart im Alter von nur 35 Jahren starb, erwies ihm unser Blatt ein letztes Mal die Ehre. In einem Nachruf gedenkt man des Komponisten, der mit seiner Kunst "die Stufe der größten Meister erstiegen" habe.
Aus der am 10. Dezember in der "WZ" publizierten Totenliste erfahren wir die damalige Adresse des Tonsetzers: Rauhensteingasse Nr. 970 (der Nachfolgebau trägt heute die Nummer 8). Gleich gegenüber von Mozarts Sterbehaus sollte später die Redaktion eine neue Heimstätte beziehen. Dort würde nicht nur Bartsch, der 1811 als "WZ"-Chef für einige Jahre zurückkehrte, turbulente Zeiten erleben.
Nächste Folge: Samstag, 27. Mai
Eine Serie von
Andrea Reisner und Paul Vécsei