Der Star trumpft auf, das Sitzvolk staunt still: Chick Corea hält wenig von einer solchen Rollenverteilung im Konzertsaal. Dabei hätte die lebende Legende Anrecht auf ein denkbar hohes Podest: Der 77-Jährige stand einst neben Miles Davis an der Wiege des Fusion Jazz, er besitzt eine unverkennbare Pianistenhandschrift und hat mit dem Latin "Spain" eine Improvisationsvorlage für die Ewigkeit geschaffen. Auf der Bühne gibt der Mann von der (seit Jahren wieder) drahtigen Gestalt aber nicht den Jazz-Allmächtigen, sondern den Animateur auf Augenhöhe - und konnte in dieser Rolle am Sonntag ganz aufgehen. Immerhin fand Coreas Solo-Abend nicht vor großem Publikum im Konzerthaus statt, sondern (als Eröffnung des neuen Zyklus "Jazz Unplugged") im intimen Mozartsaal vor 700 Besuchern.
Wirtschaftlich wenig profitabel, war es dies doch künstlerisch - auch deshalb, weil Corea sein Programm auf den Saal abgestimmt hat. "Ihr wisst schon, nach wem er benannt ist", sagte er anfangs und schob am Bösendorfer gleich ein Mozartstück nach - nicht schulmäßig, aber mit viel Lust an verschlapften Linien und einer wendigen, sprechenden Artikulation. Wie Corea an diesem Abend immer wieder klassische Noten infiltrierte, zählte zu den leisen Pointen - und auch, welche Werke er miteinander kombinierte: Mozart traf Gershwin-Jazz, der Dämon Skrjabin den Bossa-Sonnenschein Jobim. Das brachte zwar kaum Parallelen zum Vorschein, aber die Offenheit eines Pianisten, der "The Man I Love" elegant abstrahierte und Bill Evans "Waltz for Debby" in aller Zärtlichkeit erstehen ließ.
Nach der Pause ist er vollends im Showmaster-Element: Wer will sich spontan-musikalisch porträtieren lassen? Eine Frau räkelt sich schon bald (zu Coreas Verblüffung) am Flügelrand; eine Duett-Improvisation mit einem ABC-Schützen gerät zum ausgewachsenen Musikkabarett. Es endet, wie es enden muss, also mit "Spain" und reichlich Solo-Phrasen zum Nachsingen: Standing Ovations.