
Der Megatrend Künstliche Intelligenz rüttelt alle Branchen durch - ob Medizin oder Pflege, Finanzmarkt oder Industrie. Auch die österreichische Justiz definiert in ihrer eJustiz-Strategie Künstliche Intelligenz als die Schlüsseltechnologie einer digitalen Justiz. Zeit für die Frage, ob Justiz und Künstliche Intelligenz eine gute Kombination ist.
Welche kognitiven Fähigkeiten darf man Künstlicher Intelligenz (KI, englisch: Artificial Intelligence) eigentlich zutrauen? "KI nimmt die Umwelt wahr, zieht logische Schlüsse, plant, handelt und lernt selbständig - alles, um ein Ziel zu erreichen", erklärt der bayrische KI-Pionier Sepp Hochreiter, Leiter des Instituts für Machine Learning an der Johannes Kepler Universität Linz. Die Maschinen werden immer klüger, seitdem leistungsfähige Computer aus großen Datenmengen Strukturen und Regeln extrahieren können. Wenn ein System auf Bildern einen Baum erkennen soll, definierte bisher der Programmierer Regeln über Form und Farbe der Blätter. Beim Machine Learning erlernt das System eigene Regeln und erkennt den Baum selbst. Allerdings benötigt es hierfür erst Bilder mit der Information, ob jeweils ein Baum zu sehen ist oder nicht. Beim Deep Learning mit künstlichen neuronalen Netzen verarbeiten tausende Einheiten gleichzeitig Unmengen an Daten - nicht unähnlich den Neuronen in unserem Gehirn. Besonders ausgereift sei KI heute im Erkennen und Verstehen von Bildern, Sprache und Text, sagt Hochreiter.
"Legal Tech" oder KI?
Auch Richter, Anwälte und Notare schwärmen unter dem Label "Legal Tech" von KI-Tools. Stefan Perner, Professor für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU Wien, meint jedoch, nicht alles, was digital und automatisiert ist, sei gleich künstlich intelligent. Schon seit Jahren würden Richter, Anwälte und Rechtswissenschafter benötigte Informationen in verschiedenen digitalen Datenbanken finden. Auch im Mahnverfahren, also bei der gerichtlichen Geltendmachung von Geldforderungen bis zur Höhe von 75.000 Euro, werden vom Gericht Zahlungsbefehle automatisiert erstellt und an Schuldner verschickt, ohne dass je ein Mensch den Anspruch des Gläubigers geprüft hätte. Künstliche Intelligenz hingegen verknüpft alle diese Daten und entscheidet eigenständig basierend auf Algorithmen und Wahrscheinlichkeiten. "Noch sehe ich keine solche KI in der österreichischen Justiz", meint Perner. Doch es gebe Vorbilder wie Estland, wo bald eine KI in einfachen Fällen wie Unterhaltsforderungen oder Strafen gegen Falschparker den Richter ersetzen wird.