
Wäre eine Software wie "Compas" im österreichischen Rechtssystem überhaupt denkbar? Professor Perner meint: Die Entscheidung eines Richters durch eine KI zu ersetzen, wäre aus verfassungsrechtlichen Gründen unmöglich. Wenn allerdings mit der Software nur weitere Daten zur Entscheidungsfindung erhoben werden, dürfte ein Richter sie sehr wohl verwenden. Schließlich lassen sich Richter auch von Sachverständigen beraten.
Schon mehrere Tests haben ergeben, dass KI-Maschinen Lügen besser erkennen können als Menschen. Eine Studie der University of Maryland etwa hat gezeigt, dass KI neun von zehn Falschaussagen erkennt, der Mensch lediglich acht von zehn. Eine KI wird mit Videos nachweislicher Falschaussagen gefüttert, die auch wahren Aussagen gegenübergestellt werden. So könne eine Kamera im Gerichtssaal eine Lüge daran erkennen, ob Mundwinkel oder Augenbrauen nach oben ziehen oder der Blick aus Verlegenheit umherschweift. Allerdings: Um eine Lüge zu entlarven, muss der Mensch selbst auch wissen, dass er gerade lügt. Auch Sepp Hochreiter plant zum Thema Wahrheitserforschung ein Forschungsprojekt an der JKU Linz.
Solche Tests belegen, dass die KI mitunter weniger Fehler macht als der denkende Mensch. Aber auch sie ist nicht unfehlbar. Noch nicht. Warum also sollten wir der KI in Rechtsfragen mehr vertrauen als dem Menschen? Eine KI habe keinen schlechten Tag, nur schlechte Algorithmen, meint Perner. Wenn sie diskriminierungsfrei programmiert ist, könne sie blind urteilen wie Justitia. Im Idealfall unterstützt KI den Richter aber unverbindlich und dient ihm als Hilfsmittel in der Analyse der Beweisführung.
Hochreiter empfiehlt der Justiz, mit KI nicht bloß das Personal entlasten zu wollen, sondern auch zu verstehen, wie Verbrechen mit diesen Technologien begangen werden. So werden heute schon täuschend echte Fake-Videos bekannter Politiker mit KI produziert, sogenannte Deep Fakes. Andererseits kann eine KI auch Kunst- und Dokumentenfälscher pixelgenau entlarven, wenn sie nur mit genügend Bildern des Originals gespeist wird.
Wo also stehen wir, wie weit kann sich Künstliche Intelligenz noch entwickeln? "Wenn KI irgendwann ins Weltall reist, stecken wir noch in den Kinderschuhen; wenn selbstfahrende Autos der größte Fortschritt bleiben, sind wir bereits im Greisenalter", meint Hochreiter. In der Justiz jedenfalls wäre noch viel möglich - sofern der Mensch das auch möchte.