Der Verkehrsbereich ist nach wie vor Österreichs ökologisches Sorgenkind. Insgesamt entfallen fast 30 Prozent aller Emissionen auf den Verkehrssektor, seit 1990 sind diese um mehr als 70 Prozent gestiegen. Der Energiebedarf für Mobilität von Personen und Gütern hat sich seither fast verdoppelt . Bereits die türkis-blaue Vorgängerregierung kündigte an, den Verkehrssektor bis 2050 klimaneutral gestalten zu wollen. Daran will auch Türkis-Grün festhalten.
Die 2019 begonnene "E-Mobilitätsoffensive" wird daher fortgesetzt und somit die Förderung von E-Mobilität mit Mitteln der öffentlichen Hand. So soll die Anschaffung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen in sämtlichen Fahrzeugkategorien für Private, Betriebe, Vereine und Gebietskörperschaften unterstützt werden. Für Private gibt es beispielsweise für ein Elektro- oder Brennstoffzellenfahrzeug einen Zuschuss von 1.500 Euro, 500 Euro für ein E-Motorrad. Auch die Anschaffung von E-Ladesäulen wird vom Bund finanziell bezuschusst. Wer sich einen E-PKW zulegt, bekommt 200 Euro Förderung für eine dazugehörige E-Ladestation. Das E-Mobilitätsbudget stockte die Regierung dieses Jahr um 26 Millionen auf insgesamt 44 Millionen Euro auf. Insgesamt steigt das Klimabudget von 280 auf 441 Millionen Euro.
Stehen zukünftig also alle Zeichen auf Strom? Für Markus Tomaschitz, stellvertretender Personalchef von AVL List, ist das alles andere als ausgemacht. In seinem Unternehmen, einem Antriebsspezialisten und einem der wichtigsten österreichischen Automobilzulieferer, sei man "in alle Richtungen offen", auch in Richtung Verbrenner. Der Fahrplan für die Zukunft hänge weniger von der Klimastrategie der österreichischen Regierung ab, als davon, was die Nachbarländer, allen voran Deutschland, machen. Und von der Frage "woran glaubt der Kunde?". In beiden Fällen, erklärt Tomaschitz, sei die "Zukunft absolut unklar".
Ähnliches ist auf Nachfrage vom Fahrzeugentwickler Magna Steyr zu hören. Auch in seinem Unternehmen, erklärt Produktionschef Frank Klein, sei man "sowohl für die traditionellen als auch für die neuen Antriebe bis hin zu Wasserstoff und Brennstoffzelle gerüstet". Und schielt dabei ebenso aufmerksam nach Deutschland.

Die deutsche Automobilindustrie ist einer der wichtigsten Kunden für die heimischen Automobilzulieferer. Sie geriet wegen der Corona-Pandemie unter Druck, musste Kurzarbeit anmelden und schlitterte in die roten Zahlen. Für die E-Mobilität hatte es zuletzt noch gut ausgesehen. 2020 würden Volkswagen, BMW und Daimler ihre E-Auto-Produktion im Vergleich zum Vorjahr auf über eine Million verdoppeln, errechnete die Unternehmensberatung McKinsey im Februar. Für 2021 gehe man von 1,7 Millionen produzierten E-Wagen aus. Deutschland werde damit sogar den bisherigen Spitzenreiter China ablösen.
Tatsächlich stieg die Nachfrage nach E-Autos in Deutschland in den ersten vier Monaten 2020 an - trotz Corona. Das zeigt eine Untersuchung des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich die Zahl der E-Autos auf 63.000 verdoppelt . Grund dafür sei laut Studien-Autoren die Ende Februar angehobene E-Auto-Förderung.
Nun diskutiert die deutsche Bundesregierung, wie bereits in der Finanzkrise 2009, die Idee der "Abwrackprämie". Der Kauf eines Neuwagens soll vom Staat mit mehreren Tausend Euro bezuschusst werden, um die Automobilindustrie wieder in Schwung zu bringen, so die Forderung der Autobauer. Eine Entscheidung will die deutsche Bundesregierung Anfang Juni treffen. Ob von dieser Abwrackprämie alternative Antriebe profitieren würden, ist offen.
Heinz Högelsberger von der Abteilung Umwelt und Verkehr der Arbeiterkammer Wien kann der Prämien-Idee wenig abgewinnen. "Die Idee wird nicht dadurch besser, dass man sie zehn Jahre später wieder aufwärmt", kritisiert er.
Die franzöische Regierung hat eine solche Abwrackprämie umgesetzt. Wer seinen Diesel verschrottet, erhält bis zu 1.000 Euro. Wer ein E-Fahrzeug erwirbt, kann 6.000 bis 7.000 Euro vom Staat dazu bekommen. Zielführend im Sinne der Eindämmung der Klimawandel-Folgen ist dies für Högelsberger nicht. Denn: Ein elektrisch betriebener PKW mag zwar umweltfreundlicher sein als ein Verbrenner, einen ökologischen Rucksack hat er dennoch.
Rechnet man die Herstellung des Fahrzeugs mit ein, stößt ein E-Auto laut Berechnungen von VCÖ und Umweltbundesamt rund 94 Gramm CO2-Äquivalente pro Personenkilometer aus. Das ist weniger als die Hälfte eines Verbrenners, aber immer noch 6,5 mal mehr als die Fahrt mit der Bahn. Es sind die Akkus, die die gute Umweltbilanz der E-Autos zunichte machen. Sie bewirken, dass die Herstellung eines Stromers knapp doppelt so viel Emissionen ausstößt wie die Herstellung eines Benziners oder Diesels.
Markus Tomaschitz von AVL List ist dennoch fortschrittsoptimistisch. Er glaubt an die Kraft des Marktes, das Innovationspotential wirtschaftlicher Konkurrenz. Und die Kritik an der umweltschädlichen Batterieproduktion hört er nicht zum ersten Mal. Er versichert, dass man sich "diese Kritik sehr zu Herzen genommen hat". "Schon in den nächsten Monaten sind hier große Sprünge möglich", findet Tomaschitz. Alles unter der Prämisse, dass ein "lebendiger Wettstreit" der verschiedenen Unternehmen stattfinden könne.
Eines jener Unternehmen, das in diesem Wettstreit ganz vorne mitspielt, ist Kreisel Electric. 2014 gegründet, zählen die Oberösterreicher mittlerweile zu den Technologieführern in der Branche. Kreisel hat ein Thermomanagement entwickelt, das eine Batteriezelle aus dem Hause Kreisel konstant auf einer Temperatur zwischen 25 und 30 Grad hält. Das macht die Batterie leistungsfähiger und erhöht ihre Lebensdauer. Rund 18 Minuten dauert ein Ladevorgang von null auf achzig Prozent. "Derzeit arbeiten wir daran, auf unter zehn Minuten zu kommen", sagt Miteigentümer Gernot Friedhuber. Nur dann seien E-Fahrzeuge auch für Kundinnen und Kunden als Alternative zum Verbrenner attraktiv genug.
Effizientere und langlebigere Batterien – reicht das, um den österreichischen Verkehr zu begrünen? Um den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor deutlich zu reduzieren, sei E-Mobilität ein wichtiger Faktor, aber es brauche "eine deutliche Reduktion des absoluten Verkehrsaufwands", heißt es in einem Strategiepapier des VCÖ.
"Der Technologiewechsel im Antriebsbereich allein" werde nicht ausreichen, um bis 2050 emissionsfrei zu werden, ist sich auch Högelsberger sicher. Mittelfristig gelte es, sich von der "Henry-Ford-Ideologie" zu verabschieden, soll heißen: nicht jede und jeder braucht ein eigenes Auto. E-PKW würden ökologisch vor allem bei intensiver Nutzung Sinn ergeben, also bei Post- und Polizeiautos oder Taxis. Um den Verkehrssektor nachhaltiger zu gestalten, müsse zugleich eine Trendwende weg vom Individual- hin zum öffentlichen Verkehr stattfinden, sagt Högelsberger. Das individuelle E-Auto kann da ein Hemmnis sein: Untersuchungen des VCÖ zeigen nämlich, dass öffentliche Verkehrsmittel deutlich seltener genutzt werden, sobald ein E-Auto in der Garage steht.
Günter Eichhübl ist unterdessen überzeugt, dass die Verkehrswende dennoch eintritt. Der Geschäftsführer von Traktionssysteme Austria (TSA) zeigt sich von der aktuellen Krise relativ unbeeindruckt. Der Grund: Sein Unternehmen ist überwiegend mit der Entwicklung und Herstellung von elektrischen Motoren und Getrieben für E-Busse und Schienenfahrzeuge befasst. Die neuen "Flexity"-Straßenbahnen der Wiener Linien fahren beispielsweise mit Motoren aus seinem Hause durch Wien. Angesichts von Corona hat Eichhübl seiner Einschätzung nach "aufs richtige Pferd gesetzt". Denn anders als die Automobilbranche könne man in seinem Unternehmen deutlich längerfristiger planen. In der E-Mobilität sieht Eichhübl einen "Megatrend, der auch durch Corona nicht abreißen wird". Von Unsicherheiten, was die Zukunft betrifft, sei in seinem Unternehmen derzeit nichts zu spüren: "Wir erwarten uns keine großen Überraschungen", meint Eichhübl.
Das Potential, den österreichischen Verkehrssektor bis 2050 CO2-neutral zu gestalten, sei vorhanden, sagt Högelsberger. Erfolgreich sein könne die Ökologisierung dann, wenn neben dem technologischen Fortschritt auch die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs gelingt. Österreich sei dafür gut gerüstet: Es gibt einen starken Industriesektor im Bereich der E-Mobilität und einen hohen Qualifikationsgrad der Beschäftigten. In der Corona-Krise habe außerdem der Staat gezeigt, dass er durchaus radikale Maßnahmen ergreifen kann. Nicht die Rückkehr zur Normalität, sondern die Förderung ökologischer, zukunftsträchtiger Unternehmen müsse jetzt im Mittelpunkt stehen. "Jetzt wäre es an der Zeit, etwas wirklich Intelligentes zu machen", sagt Högelsberger.