
Eine Studie der Statistik Austria über den IKT-Einsatz in Haushalten aus dem Jahr 2019 zeigt, dass circa 60 Prozent der Befragten online nach gesundheitsbezogenen Infos suchen. Auch eine IMAS-Studie aus dem Vorjahr veranschaulicht, dass Österreicher bei Gesundheitsthemen gerne auf das Internet zurückgreifen. So hat fast jeder zweite Umfrageteilnehmer bereits online nach Fragen zur Gesundheit recherchiert. Im Vergleich mit Ergebnissen aus dem Jahr 2014 lässt sich hier mit einem Plus von 14 Prozent ein Aufwärtstrend erkennen.
Andererseits zeigt die Studie, dass Gesundheitsexperten nach wie vor als erste Auskunftspersonen bei gesundheitlichen Themen herangezogen werden. Interessant ist aber auch, dass neben Ärzten und Apothekern das persönliche Umfeld als eine der vertrauenswürdigsten Informationsquellen gewertet wird. Wobei die Frage offen bleibt, woher wiederum das soziale Umfeld seine Informationen bezieht.
Gefahr der Onlinesuche
Gesundheitsexperten orten hier die besondere Gefahr der Onlinerecherche. Fake News, nicht ausreichend belegte medizinische Daten oder subjektive Ratschläge, die von Einzelerfahrungen geprägt und nicht wissenschaftlich fundiert sind, können gefährliche Unwahrheiten verbreiten, erklärt Nikola Jandric von der Gesundheitsplattform CredoWeb. "Wenn vor 20 Jahren das Problem darin bestand, Informationen zu erhalten, dann ist es heute, Informationen zu filtern. Überall findet man heutzutage Gesundheitsinformationen – in Foren und Facebook-Gruppen, auf eigenen Websites, in als Inhalt getarnter Werbung und so weiter. Man sollte also sehr achtsam sein, auf welchen Websites man sich informiert", so Jandric.
Aus diesem Grund biete das Grazer Unternehmen CredoWeb seriöse Informationen auf seiner Gesundheitsplattform, welche ausschließlich von verifizierten Spezialisten, also Gesundheitsexperten, erstellt würden. Laien dürfen nur lesen oder Fragen stellen. Der Fokus liege darauf, so Jandric, es für Suchende so einfach wie möglich zu gestalten, schnell zu zuverlässigen medizinischen Informationen zu gelangen.
Auch Google weiß um die Gefahr von Fake News und investiert 6,5 Millionen US-Dollar, um Fehlinformationen zum Coronavirus zu bekämpfen. Außerdem sollen detailliertere Einblicke in Google-Trends-Daten Journalisten, lokalen Behörden und Gesundheitsorganisationen ein besseres Verständnis der Such- und in weiterer Folge auch der Informationsbedürfnisse der Menschen geben, um entsprechend darauf reagieren zu können.

Online lauert kein Virus
Warum suchen wir online nach medizinischem Rat? Nikola Jandric sieht dies in der zunehmenden Verankerung des Internets im Alltag der Bevölkerung begründet: "Die Menschen haben gelernt, das Internet für alles zu nutzen, von der Arbeitssuche über Bankgeschäfte und Einkäufe bis hin zur Partnersuche – das Gesundheitswesen ist hier keine Ausnahme. Menschen suchen online nach medizinischen Informationen, weil sie die Information orts- und zeitunabhängig und in jedem beliebigen Format finden können." Spätestens durch Covid-19 stellt sich vielen außerdem die Frage: Platz nehmen im Wartezimmer, wo gefährliche Viren lauern könnten? Oder doch lieber online nach Erklärungen für meine Symptome suchen – fernab von externer Ansteckungsgefahr?
Ein interessantes Ergebnis zeigt auch ein Blick auf die Google-Trends-Daten in Österreich zum Coronavirus: Vor allem während des Lockdowns stieg das Suchinteresse. So erlangten die Suchanfragen "Coronavirus" und "Coronavirus Symptome" Mitte März ihren Höhepunkt, was sich natürlich auf den erhöhten Informationsbedarf durch die Aktualität des Themas zurückführen lässt.
Konkurrenz für Dr. Google
Auf die zunehmende Nachfrage nach Dr. Google reagierte auch das österreichische Health-Tech-Unternehmen Symptoma. Es entwickelte auf symptoma.com einen digitalen Gesundheitsassistenten, der bei der Diagnosefindung helfen soll: Patienten und Ärzte geben Symptome ein, beantworten Fragen und erhalten eine Liste möglicher Ursachen. Um den Usern umfassende Gesundheitsinfos mit Freitextsuche anbieten zu können, trainierten sie den Assistenten mit Millionen von medizinischen Publikationen in 36 verschiedenen Sprachen. Immer im Blick der Datenschutz: "Wir speichern noch nicht einmal IP-Adressen und forcieren Privacy by Design", so Gründer und Mediziner Jama Nateqi.
Um auch auf die erhöhte Online-Nachfrage zu Coronavirus-Symptomen reagieren zu können, entwickelte Symptoma außerdem einen kostenlosen AI-basierten Chatbot zur ersten Risikoeinschätzung für Covid-19, der eine Treffgenauigkeit von 96,3 Prozent erreiche. Ziel sei es auch, Regierungen zu unterstützen: Das Tool soll unter anderem die Kontaktzentren für Covid-19 entlasten und den Bürgern bei einer limitierten Anzahl an diagnostischen Tests eine digitale Ersteinschätzung bieten. So können Bürger mit höchstem Risiko priorisiert werden. Das Tool hilft auch bei Sprachbarrieren, denn die Ersteinschätzung ist in 36 Sprachen verfügbar. Ein Test kann also zum Beispiel auch auf Französisch durchgeführt werden und von einem Arzt anschließend auf Deutsch interpretiert werden.
Platz nehmen im virtuellen Wartezimmer?
Gesundheitskrisen wie die Covid-19-Pandemie, die Social Distancing und Ausgangsbeschränkungen erfordern, werfen nun zunehmend die Frage auf, wie digital die gesundheitliche Versorgung in Zukunft sein sollte. "Wir alle werden sowohl als Individuum als auch als Gesellschaft digitaler. Die Generation Z, die bereits Teil der Gesellschaft ist, ist die erste vollständig digitale Generation. Natürlich ist das Durchschnittsalter in der Gesundheitsbranche viel höher, daher ist der Wandel langsamer, aber alles läuft auf dieselbe Denkweise hinaus. Die Digitalisierung ist unvermeidlich", erklärt Jandric. Und auch Nateqi ist sich sicher: "Wir werden an der Digitalisierung des Gesundheitssystems nicht mehr vorbeikommen. Sie ist die Grundvoraussetzung der Medizin der Zukunft, namentlich der Präzisionsmedizin." Außerdem sei die Krise eine Chance, das Gesundheitssystem nachhaltig besser aufzustellen. Es setze die digitalen Möglichkeiten nun viel rascher und gezielter ein.
Werden wir also bald vorwiegend virtuell zum Arzttermin erscheinen?
Laut Jandric bleibe trotz der digitalen Fortschritte der direkte menschliche Kontakt, im Besonderen auch die Empathie, ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung. Die Telemedizin liege aber nicht mehr weit in der Zukunft: "Die Situation der Covid-19-Pandemie wird diesen Trend in jedem Fall beschleunigen. Immer mehr Geräte werden miteinander in Realtime verbunden sein. Ihr Arzt kann dann rund um die Uhr Daten über Ihren Zustand verfolgen, Sie anrufen, um zu sehen, wie es Ihnen geht, oder um Änderungen an der Therapie vorzunehmen." Die Menschen werden für Online-Suchanfragen außerdem vermehrt ihre Stimme gebrauchen. Digitale Geräte wie Computer oder persönliche Assistenten werden in menschlicher Stimme antworten. In diesem Sinne wird die medizinische Versorgung zwar digitaler werden, der menschliche Aspekt aber weiterhin eine bedeutende Rolle spielen.