Die Insel

Mit dem Auto braucht man dreieinhalb Stunden, um Transnistrien vom Süden bis zum Norden zu durchqueren. Die Straßen sind wie mit dem Lineal gezogen. Nur selten kommt einem ein Wagen entgegen. Nussbäume und Trauerweiden sind in Reih und Glied gepflanzt und bilden ein dichtes, grünes Dach. An manchen Stellen ist Moldau so nah, dass man die Felder und Hausdächer sehen kann.

Hochsicherheitszone Hafen

Auf halber Strecke in den Norden liegt das Dorf Cociere, eine kleine, moldauische Exklave am linken Ufer des Flusses Dnister. Cociere ist von Checkpoints umgeben. Hier tobten vor über zwei Jahrzehnten Kämpfe zwischen der moldauischen Armee und den Separatisten. Heute ist die einzige Verbindung nach Moldau eine Fähre, welche das Dorf mit Waren versorgt.

Der Hafen von Cociere ist eine Hochsicherheitszone. Fotografieren ist strengstens verboten. Bis auf mit Tarnnetzen überspannte Container und bewaffnete Uniformierte gibt es nicht viel zu sehen.

„Wir leben hier auf einer Insel“, sagt Ecaterina. Die Fähre liefert ihr jeden Tag frisches Brot. Manchmal kommen transnistrische Staatsbürger in ihren Laden, um moldauische Wurst zu kaufen, weil Geschäfte in Tiraspol nur ukrainische Fleischwaren im Sortiment haben.

Nur im Winter, wenn der Dnister zugefroren ist, bleiben die Lieferungen aus. Dann schnallt sich Ecaterinas Tochter Eislaufschuhe an und fährt mit einem Schlitten auf die andere Seite des Dnister. Oft sechsmal am Tag. Auf diese Weise können die Bewohner Zölle vermeiden, die über den Landweg von transnistrischen und russischen Soldaten erhoben werden. Seit dem Bürgerkrieg sind die Bewohner von Cociere von Moldau isoliert.

Opfer der Abspaltung

Wenige Kilometer entfernt, in der transnistrischen Grenzstadt Dubăsari hat man nach dem Bürgerkrieg eine große Gedenkstätte errichten lassen. Der Ort ist ruhig, der Park gepflegt. Rot und gelb gefärbte Kastanienblätter segeln zu Boden. Die Marmorplatten der Gräber schimmern, als wären sie frisch poliert worden. Eine Frau legt Blumen nieder. Ihre Tochter war erst 17 Jahre alt, als sie an der Front ums Leben kam.

Sie ist eine von 806 Opfern, die ihr Leben dafür lassen mussten, damit sich Transnistrien von Moldau abspalten konnte.