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Ein Relikt des Kalten Krieges

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Als einziges westeuropäisches Land nach dem Zweiten Weltkrieg hat Deutschland seine Kommunistische Partei, die KPD, im Jahr 1956 verboten. Das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts kam unter erheblichem Druck des konservativen Bundeskanzlers Konrad Adenauer zustande - wohl eines der dunkleren Kapitel der deutschen Justizgeschichte.

Der antikommunistische Reflex aus der Hoch-Zeit des Kalten Krieges funktioniert aber auch heute noch bei einer Partei, in der sich längst nicht mehr alle Mitglieder als Kommunisten bezeichnen. In der Partei Die Linke würden sich Kräfte sammeln, "die das Ziel einer grundlegenden Veränderung der bisherigen Staats- und Gesellschaftsordnung" hätten, heißt es dennoch aus dem Innenministerium als Begründung für die Beobachtung von Parlamentsabgeordneten. Dass die Linkspartei gegen den Kapitalismus ist, steht tatsächlich im Parteiprogramm. Ob das aber genügt, um Verfassungsfeindlichkeit anzunehmen, bezweifeln die meisten Juristen und politischen Konkurrenten.

Selbst die Linke ist überrascht über das Ausmaß der Beobachtung, die ein Drittel ihrer Parlamentsfraktion trifft. Dass sie überhaupt im Visier des Verfassungsschutzes steht, ist allerdings nicht neu. Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages, versucht seit Jahren, uneingeschränkten Einblick in ihre Akte zu erlangen, die 600 Seiten stark sein soll. Dieser Umfang lässt die Betroffenen vermuten, dass keineswegs nur "beobachtet" wird, wie der Verfassungsschutz beteuert, sondern auch "überwacht". Der Unterschied: Im ersten Fall werden nur öffentlich zugängliche Informationen wie Internetseiten, Publikationen und Zeitungsartikel ausgewertet, im zweiten Fall werden auch nachrichtendienstliche Methoden wie das Abhören von Telefongesprächen angewendet.

Aus den öffentlichen Quellen lassen sich nur schwerlich Hinweise darauf finden, dass sich die Linkspartei anti-demokratisch oder gegen die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" äußern würde. Entsprechendes Material könnte man wohl eher im rechtsextremen Milieu feststellen, dessen Beobachtung der Verfassungsschutz aber bisher vernachlässigt hat.

Zumindest besteht Hoffnung, dass bald geklärt ist, ob die Beobachtung von Volksvertretern rechtens ist. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz die Beobachtung von Bodo Ramelow, dem Fraktionsvorsitzenden der Linken im Landtag von Thüringen, für legal erachtete, ist nun in Karlsruhe eine Verfassungsklage des Politikers anhängig. Eine Entscheidung wird noch für heuer erwartet.