Zum Hauptinhalt springen

Wahl-Umfragen ohne Wert

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Vergessen Sie die Umfragen. Die meisten seriösen Analysten in Frankreich geben kaum etwas auf die Ergebnisse der Meinungsforscher. Zu schnell ändern sich die Ansichten der Franzosen, zu inakkurat sind die Ergebnisse. In der Grande Nation ist man noch gebrannt von den Wahlen 2002, als kein Institut ein Stechen zwischen dem konservativen Kandidaten Jacques Chirac und dem extrem-rechten Jean-Marie Le Pen prognostiziert hatte.

Viele Befragte geben derzeit sogar im Nachhinein zu, mit ihren Antworten gelogen zu haben. Teilweise wollten sie ihren eigentlichen Favoriten unter Druck setzen. So sagen zum Beispiel Anhänger François Hollande, dass sie Jean-Luc Mélenchon wählen, um ihn zu einer klareren Linksposition zu bewegen. Wählern Nicolas Sarkozys wiederum wird unterstellt, dass sie aufgrund der Unpopularität des Präsidenten bei der Befragung nicht zugeben, ihn überhaupt zu wählen. Bei der Front National ist man sich uneins: Die einen glauben, dass sie in den Umfragen überbewertet wird, andere trauen ihr sogar eine höhere Zustimmungsrate zu. Bei der Linkspartei wiederum wird noch einige Luft nach oben vermutet. Geradezu mystisch-transzendental wird es, wenn dann noch Statistiken herangezogen werden; wenn es etwa heißt, dass in der Regel derjenige Kandidat verliert, der im ersten Durchgang gewinnt - was bei der letzten Wahl nicht so war.

Doch das interessiert weniger, wenn es darum geht, dem Publikum einen Punkt zu geben, an dem es sich festhalten kann. Der bessere Ausdruck wäre allerdings wahrscheinlich "aufzudrängen". Denn der Hauptzweck solcher Aussagen ist vordergründig, Stimmung für oder gegen einen Kandidaten zu machen. Viele Meinungsforschungsinstitute stehen in Verdacht, eine klare politische Heimat zu haben. So hat etwa Opinionway klare Bezüge zu Politikern der konservativen UMP und in der Vergangenheit mit skurrilen Publikationen in der rechten Zeitung "Le Figaro" für Stirnrunzeln gesorgt. Etwa als die Meinungsforscher konstatierten, die Franzosen seien für Sonntagsarbeit oder fänden es gut, dass Sarkozy auf Einladung eines großen Medienunternehmers Urlaub auf dessen Yacht machte.

Ein Funke Wahrheit wird in den Umfragen schon vorhanden sein. Doch man braucht keine Meinungsforscher, um zu wissen, dass Hollande und Sarkozy die beiden aussichtsreichen Kandidaten sind. Der Rest ist allerdings Spekulation und Propaganda. Das Erfreuliche daran: Den Umfragen zum Trotz bleibt die französische Wahl spannend bis zum Schluss.