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Leben und leben lassen

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Analyse: Ohne Kompromisse wird es in den USA die nächsten zwei Jahre nicht gehen.


Washington/Wien. Das Sagen im US-Kongress haben ab jetzt die Republikaner. Seit den Wahlen am Dienstag haben sie in beiden Kammern eine Mehrheit. Im Kongress sitzen 52 ihrer Senatoren 45 Demokraten gegenüber (drei Rennen waren noch nicht entschieden). Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner ihre Mehrheit sogar noch ausgebaut und stellen nun 241 Abgeordnete gegenüber 174 Demokraten (20 noch offen). Was ist von den Republikanern in den kommenden zwei Jahren zu erwarten, jetzt, da sie mit der Macht der Gesetzgebung ausgestattet sind?

Die negative Agenda ist ebenso klar vorgegeben wie unrealistisch: In zwei Jahren alles rückgängig machen, was Barack Obama in sechs Jahren durchgesetzt hat - zumal seine Gesundheitsreform. Zwar war dies das primäre Versprechen der Republikaner im Wahlkampf. Doch dass das tatsächlich machbar wäre, war von Anfang an ausgeschlossen. Spätestens der Präsident kann mögliche Vorstöße des Kongresses in diese Richtung durch sein Veto stoppen. Obama hat bereits erklärt, sich die letzten zwei Jahre seiner Regierung der Pflege und Festigung seines Vermächtnisses widmen zu wollen. Zudem haben die Republikaner im Senat zwar eine Mehrheit, aber keine Supermehrheit, also nicht mehr als 65 Sitze. Die wären aber nötig, um einerseits das Filibustern zu verhindern, das gefürchtete Dauerreden der Senatoren, um ein Gesetz zu Fall zu bringen. Andererseits wären diese Mehrheit sowie eine Zweidrittelmehrheit im Repräsentantenhaus nötig, um einen Beharrungsbeschluss gegen das präsidiale Veto zu fassen.

Als Vorbereitung für den Präsidentschaftswahlkampf 2016 wird die Opposition wohl zu wenig sein. Dass das Rennen um das höchste Amt im Staat bereits voll entbrannt ist, wurde nicht zuletzt am Wahlabend deutlich. Dieser Sieg sei nicht nur eine Abfuhr für Barack Obama, sondern auch für Hillary Clinton, erklärte etwa Rand Paul. Der republikanische Senator aus Kentucky macht schon seit langem keinen Hehl daraus, dass er sich in zwei Jahren für das höchste Amt im Staat bewerben möchte. Neben ihm genannt werden auf republikanischer Seite unter anderen die Namen Chris Christie (Gouverneur von New Jersey), Paul Ryan (Abgeordneter und Ex-Vizepräsidentschaftskandidat), Jeb Bush (Ex-Gouverneur von Florida und Bruder von Ex-Präsident George W.) sowie die Senatoren und Lieblinge der Protestbewegung Tea Party Marco Rubio (Florida) und Ted Cruz (Texas). Auf der anderen Seite ist Clinton das heißeste Eisen, das die Demokraten für das Rennen 2016 im Feuer haben. Kaum einer traut sich ob der Favoritin aus der Deckung. Spekuliert wird unter der Hand noch mit Vizepräsident Joe Biden, Martin O’Malley (Gouverneur von Maryland) und Senatorin Elizabeth Warren (Massachusetts).

Symbolische Vorschläge

Um die Wähler 2016 zu überzeugen, ihnen auch noch den Präsidenten zu geben, würden es die Republikaner nur mit der negativen Agenda schwer haben. Motto: "Wir haben es in zwei Jahren nicht geschafft, Obamas Vermächtnis zu zerstören. Aber wenn wir jetzt auch noch den Präsidenten stellen, schaffen wir es." Spannender und vor allem wichtiger ist da schon die positive Agenda der Republikaner. Mit Gesetzesvorschlägen können sie nun ein Bild von jenem Amerika zeichnen, das sie gerne gestalten würden. Ob die Gesetze letztlich durchgehen oder nicht, ist Nebensache. Eine Blockade der Demokraten könnte da sogar helfen. Denn gefällt das beabsichtigte Programm, wäre sie ein Grund, das nächste Mal einen republikanischen Präsidenten zu wählen.

Leben und leben lassen, sollte also die kommenden zwei Jahre großgeschrieben werden. Kompromissbereitschaft ist das Zauberwort - vor allem bei den Demokraten. Glaubt man den einschlägigen Analysten, ist es nämlich so gut wie ausgeschlossen, dass Obamas Parteikollegen vor 2020 eine Chance haben, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern. Kompromissbereit müssten allerdings auch die Republikaner sein. Es ist nämlich auch nicht so, als sei Barack Obama komplett handlungsunfähig. Ihm bleibt immer noch die Option, per präsidialer Anordnungen zu regieren, die er am Kongress vorbei durchsetzen kann. Grundsätzlich wird man sich also arrangieren müssen, will man nicht eine Totalblockade der Politik in den kommenden zwei Jahren riskieren. Allerdings sind beide Seiten nicht berühmt für ihr überparteiliches Denken. Für die Republikaner war in der Vergangenheit alles Teufelswerk, was von Obama kam. Dessen Verhandlungsgeschick mit politischen Gegnern wiederum ist erfahrungsgemäß begrenzt - ganz im Gegensatz etwa zu Ex-Präsident Bill Clinton, der es seinerzeit blendend geschafft hat, mit dem oppositionellen Kongress zu regieren und produktiv zu sein.

Was ist also von den Republikanern an positiver Agenda zu erwarten? Ein Punkt, in dem sie realistischerweise sogar einen Erfolg verbuchen könnten, ist der Ausbau der Keystone XL Pipeline. Sie soll Ölsand aus Kanada in US-Raffinerien bringen. Obama hat das Projekt derweil in die Warteschleife gelegt, weil es schwere Umweltschäden mit sich bringen dürfte.

Im Atomstreit mit dem Iran hat das Repräsentantenhaus bisher vergeblich versucht, verschärfte Sanktionen gegen Teheran auf den Weg zu bringen. Auch hier würde es Obama wohl verschmerzen können, statt des Zuckerbrots auch einmal wieder die Peitsche auszupacken.

Die traditionell marktliberalen Republikaner werden die Freihandelsabkommen mit der EU (TTIP) und Asien (TPP) wahrscheinlich aggressiver vorantreiben wollen, als es bisher der Fall war. Damit würden sie bei Obama wohl offene Türen einrennen, der hier bisher vor allem mit dem Widerstand seiner demokratischen Kollegen zu kämpfen hatte. Interessant wird es bei der Senkung der Unternehmenssteuer, die den Republikanern ein besonderes Anliegen ist. Obama kann sich zwar auch dafür erwärmen, jedoch anders, als es sich die Republikaner vorstellen. Wie weit man kommen wird, wird letztlich - wie alles andere auch - von Kompromissbereitschaft und Verhandlungsgeschick beider Seiten abhängen.