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Kartei für Rechtsextreme geplant

Von WZ-Korrespondentin Christine Zeiner

Europaarchiv

Für Experten ist ein NPD-Verbot nicht die dringlichste Aufgabe.


Berlin. Wie will Deutschland künftig weitere rechtsextremistische Gewalt verhindern? Wie war es möglich, dass zwölf Jahre lang die sogenannte "Zwickauer Zelle" morden konnte, ohne dass eine Verbindung zur Neonazi-Szene in Betracht gezogen wurde? Um diese Fragen ging es am Freitag bei einem Treffen der Innenminister und Justizminister von Bund und Ländern - einfache Antworten gibt es nicht. "Natürlich hat es Unzulänglichkeiten und Pannen gegeben. Im Nachhinein weiß man manches besser", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) anschließend im Pressegespräch. "Wir müssen uns für all diejenigen entschuldigen, die einen Fehler gemacht haben - wer immer sie sein mögen und wo immer sie sein mögen."

Bei den Morden an neun Migranten handelte es sich nicht, wie man seit kurzem weiß, um Schutzgelderpressungen oder Einzeltaten. Zwei mittlerweile tote Männer und die verhaftete Beate Zschäpe sollen dahinter stehen. In Untersuchungshaft sitzt außerdem Holger G. Und die "Zwickauer Zelle" dürfte noch größer sein: Generalbundesanwalt Harald Range sagte am Freitag, gegen zwei weitere Verdächtige werde strafrechtlich ermittelt.

Innenminister Friedrich kündigte gemeinsam mit der Justizministerin an, eine zentrale Datei für Ermittlungen gegen rechtsextreme Gewalttäter schaffen zu wollen. Die Dateien von Ländern, der Polizei und den Verfassungsschutzämtern soll besser verzahnt werden. Vorbild soll die Antiterrordatei im Bereich Islamismus sein, die 2001 eingerichtet worden ist. Fahnder sollen künftig auch im Bereich Rechtsextremismus nicht mehr "30, 40 Dateien" für ihre Arbeit abfragen müssen. "Mit aller Kraft rechtsextremistischen Gewalttaten entgegentreten" wolle man, erklärte Friedrich. Menschen mit Migrationshintergrund dürften keine Angst haben in Deutschland.

"Wir stehen noch am Anfang der Ermittlungen, des Tätigwerdens", sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Aus ihrem Vorschlag, aus mehr als 16 Verfassungsschutzämtern drei oder vier zu machen, dürfte nichts werden: "Die Überlegung hat, um es vorsichtig auszudrücken, die Länder nicht begeistert." Zur Diskussion um ein Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) sagte sie, es dürfe nicht zu "leichtfertigem Aktionismus" kommen. Es dürfe "auf gar keinen Fall passieren", dass ein solches Verfahren noch einmal "sehenden Auges" scheitert. Leutheusser-Schnarrenberger bezog sich damit auf den Anlauf zu einem NPD-Verbot im Jahr 2003.

Ein Verbot wäre dann sinnvoll, wenn es einen "breiten Diskurs" gäbe, Politiker sich um den Diskurs mit den Wählern bemühten, damit ein Verbot nicht nur auf einer "juristischen" Grundlage zustande käme, meint der Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner. Im Moment sei ein Verbot nicht die wichtigste Aufgabe.

Verharmlosen dürfe man die NPD freilich nicht. Wagner geht davon aus, dass die Partei radikale Personen und Organisationen nicht entradikalisiere, wie manchmal argumentiert wird, sondern sich eher als "Schutzpanzer" andient. "Der Habitus friedlicher alter Männer, die unter dem Kriegsverlust leiden, ist vorbei", sagt Wagner.

Die NPD speise sich aber auch nicht nur aus Skinheads. In ehemaligen Osten, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, gibt es etliche Dörfer, in denen es Nicht-NPDler schwer haben - und die Distanz zwischen Rechtsextremen und Behörden oft zu klein ist. "Das sind ja die Kinder ihrer Eltern, und die Eltern sind eben auch Bauern, Handwerker, Polizisten und Lokalpolitiker." Wagners Ansicht nach sind die Behörden auf dem "rechten Auge" zwar nicht blind, es gebe aber eine "optische Einschränkung."

Unterdessen hat die Stadt München eine geplante Demonstration in der Nähe eines der Tatorte verboten. Die Veranstaltung der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) war etwa 700 Meter von dem Ort entfernt geplant, an dem am 15. Juni 2005 ein griechischer Kleinunternehmer erschossen wurde. Die Versammlung unter dem Titel "Kriminelle Ausländer raus" sei eine Verhöhnung der Opfer und eine nicht hinnehmbare Provokation.