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Wachstum in kleinen Portionen

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Debatte um Bankenunion wird bis Herbst fortgesetzt.


Brüssel. Brüssel. Und es gibt sie doch, die Dinge, die innerhalb der Europäischen Union unumstritten sind. Wachstum ist so eines von ihnen. Europa braucht nicht nur Sparprogramme, sondern auch Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und Schaffung von Jobs – kurz: Europa braucht Wachstum. Zumindest darauf konnten sich die Staats- und Regierungschefs der EU einigen am späten Donnerstagabend einigen. Konkret auf ein Maßnahmenpaket im Umfang von 120 Milliarden Euro. Wobei: Die finale Zustimmung aller Länder soll es erst am Freitag, dem zweiten Tag des Gipfeltreffens, geben.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erklärte, diese Summe setze sich aus knapp fünf Milliarden für projektbezogene Anleihen, aus 10 Milliarden Kapitalaufstockung für die EIB (Europäische Investitionsbank) sowie aus 55 Milliarden aus nicht genützten Strukturfonds zusammen. Die 10 Milliarden für die EIB würden zu einer Vergabekapazität von 60 Milliarden führen. Fließen soll das Geld in Beschäftigungsprogramme und in die Förderung von Investitionen im Privatsektor.

E ist vor allem die Jugendarbeitslosigkeit, die Sorgen bereitet: Fast jeder fünfte Unter-25-Jährige in Europa hat keinen Job. Diese Zahl sei viel zu hoch, befand auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, neue Arbeitsplätze zu schaffen", erklärte sie vor dem Treffen mit ihren Amtskollegen. Der Wachstumspakt sei daher eine gute Ergänzung zum Fiskalpakt, auf den sich 25 Mitgliedstaaten geeinigt haben und der diese zu strengerer Budgetdisziplin verpflichten soll. Ohne Sparen werde es nämlich trotz allem nicht gehen, stellte Merkel einmal mehr klar. Die Konsolidierung der Staatshaushalte dürfe nicht vernachlässigt werden.

Dass Disziplin und Wachstum zusammengehören, betonte auch der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann. Und wenn die Budgetregeln befolgt werden, "wenn die Rahmenbedingungen funktionieren, dann muss man sich darüber im Klaren sein, dass man auch die Schulden stärker gemeinsam bewirtschaftet", sagte Faymann.
Damit sprach er an, wovon Merkel gar nichts hören will. Die Einrichtung eines europäischen Fonds zur Schuldentilgung kommt für sie nicht in Frage, solange es nicht gemeinsame Kontrollmöglichkeiten gibt. Daher kann es fürs Erste auch keine Einigung auf eine umfassende Banken- und Fiskalunion geben. Wie solche aussehen könnten, haben EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sowie die Vorsitzenden der Europäischen Zentralbank und der Euro-Gruppe, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker, erarbeitet.

Eine Debatte darüber stand beim Abendessen der EU-Politiker an.
Doch im Entwurf für das Schlussdokument des Treffens fanden sich nur wenige Zeilen zur Bankenunion. Bis Oktober soll weiter an den Plänen gefeilt werden. Allerdings ist der Widerstand gegen eine Bankenunion schon jetzt groß. Schwedens Premier etwa lehnt eine europäische Bankenaufsicht ab. In seinem Land habe die Zentralbank die Kontrolle, und er sehe keinen Grund, das zu ändern, sagte Fredrik Reinfeldt. Auch einige osteuropäische Staaten haben Bedenken. So fürchtet Tschechien Nachteile für seinen Bankensektor. Polen hingegen schloss eine spätere Teilnahme an einer solchen Gemeinschaft nicht aus. Spanien und Italien wiederum rangen mit anderen Problemen: Unter dem Druck hoher Zinsen forderten sie kurzfristige Interventionen an Anleihemärkten.

Eine Diskussion darüber forderte auch Juncker ein. Seine politische nahe Zukunft ist nun auch eines von den Dingen, auf die sich die Regierungschefs einigen konnten: Luxemburgs Premier soll auch in den kommenden Jahren die Euro-Gruppe leiten. Der Vorsitz für den geplanten permanenten Rettungsschirm ESM steht ebenfalls fest: Diese Funktion übernimmt Klaus Regling, der schon den provisorischen Euro-Rettungsfonds geleitet hat.