Raum als Politikum scheint ausgedient zu haben. Der Zeitgeist spielt Politik und Immobilienwirtschaft in die Hände. Das beobachtet auch Willi Hejda, Vorstandsmitglied der IG Kultur, einer Interessengemeinschaft der freien und autonomen Kulturarbeiter. Zwischennutzung als niederschwelliges Raumangebot für einkommensschwächere Gruppen zu verstehen, ist eine Illusion: "In Wien ist es teilweise so, dass Zwischennutzungen, die über Zwischenstationen vermittelt werden, nichts mehr mit Zwischennutzungen zu tun haben. Da zahlen die Leute schon einmal zehn Euro pro Quadratmeter. Das ist nur eine andere Form von Mietverhältnis für mich", kritisiert er.

Einkommensschwächere Gruppen sind somit ausgeschlossen. "Ich sehe das überhaupt nicht so. Es ist schon unsere Anliegen, dass das in den sozialen Bereich reingeht", sagt Jonathan Lutter. "Es ist medial vielleicht ein bisschen schwerer verkaufbar. Es ist nicht ganz so sexy. Die Kreativwirtschaft und die Künstler werden in den Vordergrund gestellt, aber wir sehen es als unsere Aufgabe, da einen großen Bogen zu spannen." Der Architekt gehört zu den sechs Mitarbeitern der neuen Agentur für Zwischennutzung der Stadt Wien. Bereits 2010 hat die rot-grüne Stadtregierung in ihrem Regierungsübereinkommen beschlossen, eine Servicestelle zu schaffen, um "kulturelle Freiräume und Zwischennutzungen von leer stehenden Gebäuden, Brachflächen und Baulücken in allen Stadtteilen" zu ermöglichen, indem aktiv Meldungen über Leerstände von städtischen, bundeseigenen oder privaten Räumen gesammelt und auf Anfrage angeboten werden sollten." Sechs Jahre später war es schließlich so weit. Im Mai 2016 wurde die "Agentur für kreative Räume" ins Leben gerufen. Betrieben wird sie von Ula Schneider, der Begründerin des Straßenfestivals Soho in Ottakring, und dem Ingenieur-und Designbüro Kohlmayr/Lutter/Knapp, das in den vergangenen Jahren vor allem mit der Umgestaltung von Räumen in Erdgeschoßzonen zu "Grätzelhotels" von sich Reden gemacht hat.

Sich einen Überblick über das leere Angebot in der Stadt zu verschaffen, stellt sich für die Agentur noch als Herausforderung dar. Weder die Stadt noch die privaten Anbieter gehen mit Informationen über ihren Leerstand hausieren. Offizielle Zahlen werden keine erhoben. Weder über die Zahl leerer Wohnungen noch jener leerer Gewerbeflächen. So muss die Agentur damit arbeiten, was ihr herangetragen wird. Ihr Ziel ist es in erster Linie, Kontakte und Netzwerke aufzustellen und zu lobbyieren. Es gilt Bauträger und Immobilienentwickler dafür zu gewinnen ihren Leerstand zu aktivieren. Die Nachfrage nach Räumlichkeiten ist groß. Allein in den vergangenen vier Monaten haben sich knapp 100 Interessenten bei der Agentur gemeldet. "Wir vermitteln nicht. Das dürfen wir nicht. Wir haben keine Maklerkonzession", stellt Jonathan Lutter klar. "Wir sehen uns als Sprachrohr und Trampolin für die größeren Anbieter, die es hier gibt wie Nest und Paradocks."

Inwieweit der Bogen von kreativer Hipsterblase zu einkommensschwächeren Gruppen gespannt wird, kann nun noch nicht gesagt werden. "Es ist unglaublich schwierig, wenn jemand überhaupt kein Geld und keine Struktur hat", sagt Ula Schneider. Aus Erfahrung weiß die Soho Ottakring Initiatorin, wie schwer Zwischennutzungsprojekte in diesem Feld sein können: "Wenn überhaupt keine Struktur da ist, gerät man schon schnell an die Grenzen."

Wie die Agentur in Zukunft damit umgeht, kann sie heute noch nicht sagen. Noch stehe man ganz am Anfang. Man hat einmal sein Büro, einen Container am Gelände vom Media Quarter St. Marx, bezogen. Anfang Oktober sollen hier die ersten Konzepte vorgestellt werden.

450.000 Euro sind für die Serviceagentur budgetiert. Die Kosten teilen sich das Finanz-, Stadtplanungs- und Kulturressort der Stadt Wien zu gleichen Teilen. Vorerst ist das Projekt auf drei Jahre angelegt. Danach wird evaluiert. Und beschlossen, ob die Agentur weiter bestehen soll. Denn auch sie ist am Ende des Tages nur eines: eine Zwischennutzung.