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Wie lange bleibt die OeNB übrig?

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse ist Wirtschafts- und Sozialwissenschafter und unter anderem auf kreditwirtschaftliche, genossenschaftliche und sozialpolitische Themen spezialisiert.

Die Zukunftssorgen bei der Nationalbank wegen der Verlagerung der Bankenaufsicht sollten auch anderen Marktteilnehmern zu denken geben.


Die nun geäußerte Sorge, die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) werde nicht mehr über die gesetzlichen Meldedaten verfügen, um Banken bei Schwierigkeiten stützen zu können, weist auf weitere Entwicklungen hin: Die heutigen großen Banken könnten nicht mehr nur von Frankfurt am Main aus mit Hilfe der Europäischen Zentralbank (EZB) gesteuert werden, sie könnten als Einzige übrig bleiben. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) würde neben den Banken und Sparkassen alle Kapitalmarktteilnehmer allein, die Emissionstätigkeit von Unternehmen und Anbietern von Kapitalmarktprodukten bis hin zu digitalen Angeboten überwachen. Vielleicht bildet sich eine neue alternative Struktur, ähnlich den Credit Unions in den USA, für die internationale Vereinbarungen wie Basel II nicht gelten. Damit träte ein größerer Rahmen des Plans für Europa deutlicher hervor. Zu vermuten ist, dass Kapitalmarktunion und Bankenunion mit gemeinschaftlicher Einlagensicherung ein engeres Zusammenrücken der EU-Staaten fordern - ähnlich den "Vereinigten Staaten von Europa".

Es zeichnet sich fast ab, dass angesichts der gewachsenen Staatsschulden die politischen Entscheidungen durch jene der Finanzwelt ersetzt werden könnten. Dann wird auch verständlich, warum Wirtschafts- und Finanzwissen in die Schulen drängen. Denn was in der Schule gelehrt und gelernt wird, ist (allgemein) gültig und wird später noch weniger hinterfragt. Denn der Markt gilt vielfach als "unbarmherzig, gewissenlos, ungerecht; er muss sich Regelungen und Beschränkungen gefallen lassen, damit wir nicht barbarisieren". Dies wird künftig die gemeinsame Aufgabe von Finanzministerium und FMA werden. Andernfalls arbeiten wir bereits darauf hin, eine "zweite Meinung", eine Opposition abzuschaffen, beziehungsweise müssten wir (Markt-) Alternativen zu rein erwerbswirtschaftlich orientierten Kreditinstituten erst mühsam wiederaufbauen.

Über diese größeren Zusammenhänge gilt es rechtzeitig nachzudenken. Denn es erschließt sich nicht sogleich, warum die Worte des scheidenden OeNB-Gouverneurs Ewald Nowotny, dessen Stimme weiterhin in der EZB gefragt ist, überhört werden. Er dürfte mit seiner Erfahrung und seinen Einblicken schon das richtige Gespür gehabt haben, als er mahnte, der OeNB die Bankenaufsicht wegzunehmen, wäre "ein gefährlicher Weg" zu Lasten von Effizienz in der Bankenaufsicht und ginge auch zu Lasten der Wirtschaft. In fast allen Staaten Europas sei die Notenbank intensiv in die Bankenaufsicht eingebunden. "Das ist ja eine der Lehren, die man gezogen hat aus der großen Finanzkrise vor zehn Jahren." Im Falle einer Krise wisse die Notenbank Bescheid über den Zustand der Banken und sei unmittelbar in deren Rettung eingebunden. Doch das gilt eben nur so lange, wie es überhaupt nationale Notenbanken gibt. Ein Gegensatz zu dem, was der Finanzminister angestoßen hat.

Ein guter Anlass, über Geld, seine Entstehung, seine Funktion aber vor allem seine soziale Dimension und Bindungskraft nachzudenken, bevor es uns buchstäblich von einer App unwiederbringlich entzogen wird.

Co-Autor und Moderator: Theodor Domocos