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Eine Bedrohung für Japans Image

Von Parissa Haghirian

Gastkommentare
Parissa Haghirianist Professorin fürJapanisches Management an der Sophia-Universität in Tokio (www.haghirian.com). Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Der Nissan-Skandal illustriert die strukturellen Probleme von Nippons Wirtschaft. Die Unternehmen brauchen dringend frischen Wind.


Der Nissan-Skandal und die Skandale der vergangenen Wochen schockieren nicht nur die japanische Öffentlichkeit. Sie stellen auch eine Bedrohung für Japans Image als verlässliches Produktionsland dar. Wie kann es sein, dass japanische Unternehmen, die jahrzehntelang als Rollenmodell für westliche Produktionsbetriebe galten, von einem Skandal in den nächsten schlittern?

Japanische Unternehmen stehen nicht nur wegen der Globalisierung unter Druck. Traditionelle Unternehmen stellen ihre Mitarbeiter auf Lebenszeit gleich nach dem Abschluss der Universität ein. Diese haben keinen inhaltsgebundenen Arbeitsvertrag, sondern können in jeder Stelle des Unternehmens nach Bedarf eingesetzt werden. Im Normalfall rotieren angehende Manager alle zwei Jahre von einer Abteilung zur nächsten. Ein System, das Stabilität und Loyalität sicherte, solange die Arbeitsprozesse sich in erster Linie auf die Produktion von Autos oder Konsumgütern und deren Verkauf und Marketing beschränkten.

Doch nun stehen japanische Konzerne vor sehr viel komplexeren Herausforderungen. Die Konkurrenz und der Kostendruck steigen, Arbeitsprozesse werden komplizierter und vielfältiger. Da kann das traditionelle japanische System oft nicht mehr mithalten. Heutzutage werden sehr rasch Experten für neue Themen wie Digitalisierung, Compliance, Diversity gebraucht, die nicht schnell genug intern ausgebildet werden können.

Zum anderen bestehen japanische Unternehmen immer noch zu einem sehr großen Teil aus Mitarbeitern, die nur diesen einen Arbeitnehmer kennen. Auch auf der höchsten Managementebene finden sich in Japan nur Manager, die noch nie einem anderen Unternehmen tätig waren. Sie haben zwar in beinahe jeder Abteilung gearbeitet und kennen jede Ecke des Unternehmens, Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Unternehmen haben sie aber nicht. Neue Ideen sind daher auch für motivierte Mitarbeiter oft nur schwer durchzusetzen, die Dinge werden eben so gemacht wie immer.

Die jahrelange Zugehörigkeit zum Unternehmen und Loyalität gegenüber älteren Kollegen macht es zudem schwierig, sich kritisch zu äußern. Wenn nun interne Prozesse veraltet sind, nicht den gesetzlichen Regelungen oder internationalen Standards entsprechen, dann fällt das erst oft auf, wenn Probleme auftauchen oder ein Skandal die Medien erreicht.

Es ist offensichtlich, dass die japanischen Unternehmen dringend frischen Wind brauchen. Das zeigt der aktuelle Nissan-Skandal nur zu deutlich. Vor allem die Kontrollfunktionen von Aufsichtsräten sollen verstärkt werden. In jedem japanischen Board müssen schon seit dem Jahr 2015 mindestens zwei externe Aufsichtsräte sitzen, die vor allem neuen Schwung in die Diskussionen in den Vorstandssitzungen bringen sollen, in denen alle Mitglieder einander seit 40 Jahren bestens kennen. Bisher wurde diese Regelung von vielen japanischen Unternehmen eher kritisch beäugt. In Zukunft werden diese externen Aufsichtsräte allerdings auch eine stärkere Kontrollfunktion haben. Nissan sei Dank.