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Das Ende der klassischen Entwicklungshilfe?

Von Friedbert Ottacher

Gastkommentare
Friedbert Ottacher hat mehr als 20 Jahre Erfahrung als Berater für Entwicklungszusammenarbeit in Afrika und lehrt unter anderem an der TU Wien, der Donauuniversität Krems und der Universität Innsbruck. Er ist gemeinsam mit Thomas Vogel Autor des Buches "Entwicklungszusammenarbeit im Umbruch: Bilanz-Kritik-Perspektiven". (www.ottacher.at)

70 Jahre nach ihrer Ausrufung ist Europas Hilfe für Afrika in die Jahre gekommen. Sie beschäftigt sich heute zu oft mit sich selbst.


Den Menschen und Institutionen, die Entwicklungsprojekte in Afrika umsetzen, weht hier wie da ein rauer Wind entgegen. Es mehren sich die Stimmen, die eine Abschaffung der Entwicklungszusammenarbeit fordern. Sie hätte die Länder des Südens in Abhängigkeit gehalten, zur Passivität erzogen und wenig bewirkt, so das Argument. Auch beim hochrangigen Afrika-Forum in Wien im Dezember wurde sowohl von den europäischen als auch von den afrikanischen Vertretern nicht mehr über Entwicklungszusammenarbeit und Armutsbekämpfung, sondern ausschließlich über Investitionen und Wirtschaftskooperationen gesprochen.

Tatsächlich ist die Entwicklungszusammenarbeit in die Jahre gekommen. Ausgerufen wurde sie vor genau 70 Jahren, am 20. Jänner 1949, vom US-Präsidenten Harry S. Truman. Er proklamierte, dass die Hälfte der Menschheit in Armut lebe - und dieser Zustand stelle eine Bedrohung sowohl für sie selbst als auch für die reichen Länder dar.

Seinem Aufruf sind über die Jahrzehnte viele Industrieländer gefolgt, aktuell werden rund 130 Milliarden Euro pro Jahr an Entwicklungshilfegelder im globalen Süden umgesetzt, 50 Milliarden davon allein in Subsahara-Afrika. Eine vielfältige Akteurslandschaft ist entstanden: Staatliche Entwicklungsagenturen, multilaterale Institutionen, kirchliche und säkulare Hilfswerke und zuletzt auch Stiftungen nehmen sich der Sache an.

Während in den turbulenten Siebziger- und Achtzigerjahren hitzig über globale Ungerechtigkeit, unfaire Handelsbedingungen und Ausbeutung diskutiert wurde, beschäftigt sich die Entwicklungszusammenarbeit heute zu oft mit sich selbst. Um der wachsenden Kritik zu begegnen, werden aufwendige Wirkungsmessungen durchgeführt und die Strukturen und Prozesse laufend professionalisiert - was allzu oft eine weitere Bürokratisierung und Technisierung der Zusammenarbeit zur Folge hat.

Viel wichtiger wäre es jedoch, in Ergänzung zur konkreten Projektarbeit wieder politischer zu agieren und hier in Europa die Stimme zu erheben - so wie es die britische Hilfsorganisation Oxfam mit ihrer jährlichen Veröffentlichung über die Ungleichverteilung des globalen Reichtums tut. Nur über öffentliches Engagement und politische Kampagnen lassen sich die zentralen Ursachen von Armut und Ungleichverteilung thematisieren und bekämpfen.

Dass die Entwicklungszusammenarbeit vor Ort aber aller Kritik zum Trotz auch heute noch notwendig ist, sehen wir an den Zahlen - besonders in Subsahara-Afrika, wo 33 der 54 Staaten ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen unter 1025 US-Dollar aufweisen und von den Vereinten Nationen deshalb als "Least Developed Countries" klassifiziert werden. Wirtschaftliche Entwicklung allein wird in absehbarer Zeit nicht reichen, um die Bewohner dieser Länder mit Trinkwasser, Nahrung, Schuldbildung und Gesundheitsdienstleistungen zu versorgen.

Und die Herausforderungen auf dem Kontinent werden trotz mancherorts beeindruckendem Wirtschaftswachstum größer - Stichwort Bevölkerungszunahme, Jugendarbeitslosigkeit und Klimawandel. Angesichts dessen bleibt Trumans Aufruf aktuell wie eh und je.