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Hat der Brexit-Wahnsinn Methode?

Von Melanie Sully

Gastkommentare

Dass der Deal am Ende irgendwie durchgehen dürfte, liegt vor allem daran, dass jeder der Beteiligten etwas zu verlieren hat.


Fast drei Jahre nach dem Brexit-Referendum ist Großbritannien immer noch EU-Mitglied. Bis jetzt hat kein anderes Land versucht, aus der EU auszutreten, und wenn es nach dem EU-Chefunterhändler geht, soll dies auch der letzte Fall sein.

Vor dem Referendum diskutierten die Brexit-Befürworter diverse Modelle der künftigen Beziehung zur EU wie etwa jene Kanadas oder Norwegens. Details wurden bewusst ausgespart, nachdem das schottische Unabhängigkeitsreferendum gezeigt hatte, dass es nicht vorteilhaft ist, vorher allzu viel preiszugeben. Außerdem bestimmt laut Artikel 50 des Vertrags von Lissabon die EU die Vorgangsweise der Verhandlungen, und diese wollte sich gar nicht festlegen, bevor die Briten den Prozess in Gang setzten.

Eine Minderheitsregierung, abhängig ausgerechnet von nordirischen Abgeordneten, hat die Sache für Premierministerin Theresa May nicht einfacher gemacht. Das voluminöse Paket, dass sie dem Parlament präsentiert hat, beinhaltet die ominöse Auffanglösung für die Grenze auf der irischen Insel. Sogar der Generalstaatsanwalt der Regierung warnte, dieser Punkt sei problematisch und womöglich nicht mit EU-Recht vereinbar.

Das Parlament hat die Aufgabe, der Regierung auf die Finger zu schauen, denn Regierungen können Fehler machen (siehe Irak-Krieg). Und Fehler hat es gegeben. Viele sehen den Brexit-Deal als Elitepakt, ausverhandelt von leitenden Beamten in London und Brüssel. Es gab keinen echten Dialog mit den Bürgern in den Wahlkreisen, Abgeordnete waren nicht rechtzeitig eingebunden und können sich mit dem Deal nicht identifizieren. Das Karfreitagsabkommen, das den Friedensprozess in Nordirland eingeleitet hat, wurde nach einem echten Bürgerdialog in einem Referendum abgesegnet. Am Ende gab es lauter Gewinner, kaum Verlierer. Mays Brexit-Abkommen hingegen wird von vielen Seiten abgelehnt, obwohl versucht wurde, allen Beteiligten etwas anzubieten.

Bald steht die Mutter aller Endgames vor der Tür. Letztendlich könnte es doch klappen, weil alle irgendetwas zu verlieren haben. Die nordirische Democratic Unionist Party will kein Referendum über ein vereintes Irland als mögliche Konsequenz eines "No Deal"-Brexit. Der radikale Tory-Flügel will den Brexit und ein Handelsabkommen, das nur danach möglich ist. Labour sucht einen Ausweg ohne Gesichtsverlust, denn eine Brexit-Absage könnte in den Arbeiterbezirken negativ gesehen werden. Vor kurzem ist ein altes Video aufgetaucht, in dem Labour-Chef Jeremy Corbyn die EU als "Frankenstein" bezeichnet. Seine ambivalente Haltung zur EU hat Labour in eine schwierige Lage manövriert. Ein Brexit-Abschluss wäre eine Befreiung aus der Lose-Lose-Situation.

Die EU will keinen "No Deal"-Brexit und hat viel Gehirnschmalz in das Abkommen investiert. Jetzt geht es darum, eine Floskel herauszuarbeiten, die im Unterhaus mehrheitsfähig ist. Dafür muss man die sakrosankten Grundsätze der EU nicht opfern. Es gibt mit diplomatischer Finesse genug Möglichkeiten für eine Lösung, damit endlich die echten Verhandlungen über die künftige Beziehung zwischen den Briten und der EU beginnen können.