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"Konzernisierung" des österreichischen Gesundheitssystems

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Es wird wieder einmal vor der Übernahme des Gesundheitssystems durch Kapitalisten und Konzerne gewarnt.


Das österreichische Gesundheitssystem, bekanntermaßen das beste der Welt, ausschließlich auf das Wohl der Patienten ausgelegt und völlig frei von Eigeninteressen der Kammern, Parteien und Gewerkschaften, steht an der Schwelle zur "Konzernisierung". Demnächst, so wird mancherorts klar, wird es eine Dominanz der Großkonzerne geben. In der Folge werden die Bedürfnisse der Patienten unwichtig, und es geht nur mehr um die Interessen der Investoren. Diese Entwicklung ist deutlich abzulesen.

Denken wir an die Schweiz. Dort betreibt laut dem österreichischen Ärztekammerpräsidenten Thomas Szekeres der Schweizer Mischkonzern Migros, eine Genossenschaft, an mehr als 40 Standorten ambulante Gesundheitszentren - genau genommen sind es ja schon mehr als 50. Und damit arbeiten schon fast fünf Prozent der ambulant tätigen Ärzte der Schweiz für diesen Schweizer Konzern - eine klare Dominanz der Konzerne gegenüber den frei praktizierenden Ärzten. Das droht auch in Österreich.

Und dann dieser Süßwaren- und Tierfutterproduzent Mars, der ist Weltmarktführer bei Tierkliniken und betreibt, seit er das Unternehmen AniCura gekauft hat, auch an fünf Standorten in Österreich Tierkliniken. AniCura wird nicht aufhören mit Tierkliniken, schließlich stellt Mars ja auch Süßwaren her - und ist ein Großkonzern und damit gierig.

Ach ja, die Gier; 2017 investierten Finanzinvestoren in Europa elf Milliarden Euro in den Gesundheitssektor. Die Mehrzahl dieser Private-Equity-Gesellschaften haben ihren Firmensitz in diversen Steueroasen und ziehen die Gewinne steuerschonend ab. Und weil der Gesundheitssektor in Europa nur 2000 Milliarden Dollar schwer ist, ist demnächst mit der totalen Übernahme durch diese Investoren, denen es nicht um das Wohl der Patienten, sondern um ihre Rendite geht, zu rechen.

Apropos Investoren: Die europäische Investitionsbank will 300 Millionen Euro in die Errichtung unserer Primärversorgungs-Infrastruktur investieren -ein schlagender Beweis dafür, dass internationale Finanzinvestoren vor der Tür stehen, um unser Gesundheitssystem zu zerstören.

Und wer noch nicht überzeugt ist, dass profitgierige Kapitalisten unsere aktuell tätigen freiberuflichen Ärzte, die keinen Gewinn anstreben, sondern nur den gerechten Lohn erbitten, verdrängen: In Wien wollte doch tatsächlich eine Tochterfirma des privaten Baukonzerns Porr ein Primärversorgungszentrum errichten. Nun, besitzen und betreiben dürfte sie das ja nicht, weil das Gesetz klar vorschreibt, dass das nur die Ärzte dürfen, die dort arbeiten. Aber das macht nichts, denn schon das Errichten ist ein Einfallstor der Privatisierungen.

Aber das konnte gerade noch verhindert werden - noch. Besser wäre natürlich, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, damit öffentliche Gebäude im Gesundheitssektor, etwa Spitäler, Kassenzentralen aber auch Ordinationen, nur mehr durch staatliche oder wenigstens kammereigene Baufirmen gebaut oder renoviert werden dürfen. Denn alles andere kommt einer Privatisierung und "Konzernisierung" gleich.

Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom
und Publizist.