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Nominieren Sie nach, Frau Bundeskanzlerin!

Von Sabine M. Fischer

Gastkommentare
Sabine M. Fischer, Inhaberin von Symfony Consulting, ist Wirtschaftspädagogin, Human-Factor-Unternehmensberaterin und Sprecherin des Arbeitskreises "Industrie 4.0 / IoT" in Wien.

Im Zweifel über Frauen - nur ein Männerproblem?


Viel hat sich seit dem Internationalen Frauentag 2019 verändert: Österreich hat eine Frau an der Spitze der Bundesregierung und die EU eine designierte Kommissionspräsidentin. In den USA bewerben sich so viele Frauen wie noch nie für die demokratische Präsidentschaftsnominierung und stehen in den "CNN Debates" hervorragend "ihren Mann". Auch wenn nicht alle Frauen so lange in Entscheidungspositionen bleiben wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, gibt es für Frauen fünf Monate nach dem 8. März noch mehr Identifikationsmöglichkeiten für führende Positionen außerhalb von Heim und Herd.

Gleichzeitig erfährt der weibliche Teil der Bevölkerung, dass noch immer zwei Drittel der Führungskräfte in Österreich Männer sind, die im Schnitt netto um mehr als 500 Euro im Monat mehr verdienen als Frauen (Sora 2019). Im "Spiegel" vom 15. Juni konnte Frau nachlesen, wie die erfahrene und einen kooperativen Führungsstil pflegende Valerie Holsboer, die einzige Frau im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, vom Old-Boys-Network gemobbt wird. Die "Welt kompakt" zitierte am 4. Juli Alesia Braga, Technologiechefin der Reservierungsplattform Quandoo, zu aktueller Diskriminierung und Vorurteilen in Digitalunternehmen.

Positiv wurde berichtet, dass die Zahl der Gründungen von Frauen zuletzt um 4 Prozent gestiegen ist. Mehr als ein Drittel gründete allerdings aus Mangel an alternativen Erwerbsmöglichkeiten. Was besonderen Mut bedeutet, weil Frauen laut dem "Femals Founders Monitor" weniger Unterstützung von Business-Angels, Risikokapitalgebern und weniger staatliche Förderung erhalten als Männer.

Über dem Atlantik hören Frauen nach "Lock her up"-Sprechchören aus dem Jahr 2016 gegen die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton nun in Versammlungen des US-Präsidenten "Send her back"-Rufe von Menschenmassen gegen vier gewählte demokratische Abgeordnete. Anscheinend haben Hetzkampagnen gegen Frauen nach wie vor eine besonders erfolgversprechende Mobilisierungskraft.

Die "New York Times" wiederum zitierte am 18. Juli den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der Chinas Frauen dazu aufrief, "die Verantwortung für die Pflege der Alten und Jungen und die Erziehung der Kinder zu schultern". Dafür erhalten Frauen kaum Unterstützung von Staat, Gesellschaft und Gesetzgebung. Kein Wunder, dass Heirats- und Geburtenrate ebenso sinken wie Chinas Platz im "Gender Gap Report" des Weltwirtschaftsforums.

Wir sehen weltweit, wie die Würde und die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen wieder oder weiterhin verletzt werden. Umso wichtiger ist es, dass Frauen in Entscheidungspositionen darauf bestehen, dass Frauen für die Besetzung von Führungsfunktionen zumindest zur Auswahl stehen - so wie es Ursula von der Leyen für die nationalen Nominierungen der EU-Kommissionsmitglieder gefordert hat. Dass die erste Bundeskanzlerin Österreichs sich mit der Nennung eines Mannes dafür zufriedengibt, ist unverständlich. Denn auch Brigitte Bierleins Nominierung benötigte hartnäckige Unterstützung, ohne die sie heute nicht eine wichtige Identifikationsrolle für Frauen bieten könnte.

Sabine M. Fischer, Inhaberin von Symfony Consulting, ist Wirtschaftspädagogin, Human-Factor-Unternehmensberaterin und Sprecherin des Arbeitskreises "Industrie 4.0 / IoT" in Wien.