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Europa fehlt es an Binnennachfrage

Von Aneeka Gupta

Gastkommentare
Aneeka Gupta ist als Associate Director Mitglied des Researchteams beim US-Vermögensverwalter WisdomTree. Davor war die studierte Mathematikerin und Finanzanalystin unter anderem bei Bear Stearns Internationa, Sunrise Brokers und ETF Securities tätig.
© Ernie Savarese

Es wird immer deutlicher, dass die Geldpolitik allein die Probleme Europas nicht lösen kann.


Nach der großen Finanzkrise steckte der damalige EZB-Präsident Mario Draghi Billionen Euro als Stimulus in die Wirtschaft der Eurozone. Sein "Whatever it takes"-Mantra wurde mit der Rettung der Eurozone und des Euro während seiner achtjährigen Amtszeit an der Spitze der Europäischen Zentralbank gewürdigt. Die EZB hatte jedoch Mühe, ihr Inflationsziel von knapp unterhalb von 2 Prozent zu erreichen, obwohl sie nach der Finanzkrise das hinsichtlich der konjunkturellen Wirksamkeit umstrittene "Quantitative Easing"-Programm startete. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass die Politik der weiteren quantitativen Lockerung keine Auswirkungen mehr auf die Binnennachfrage hat. Die Arbeitslosigkeit in Europa ist insgesamt nach wie vor konstant höher, insbesondere im Vergleich zu den USA.

Das Hauptproblem Europas sind nicht der fehlende Zugang von Unternehmen zu Kapital oder hohe Kapitalkosten, sondern vielmehr eine unzureichende externe und interne Nachfrage. Aufgrund äußerer Schocks wie Handelskriegen, Brexit und Konjunkturabschwächung in China bleiben die globalen Nachfragebedingungen weiterhin schwach. Aus diesem Grund muss die Finanzpolitik in Europa, die nach wie vor restriktiver als notwendig ist, mehr tun, um die Binnennachfrage zu stützen. Draghi schloss sich dieser Überlegung auch auf der jüngsten Pressekonferenz der EZB an und betonte, dass eine monetäre Lockerung nunmehr angebracht sei, da Wachstums- und Inflationsziele ohne fiskalpolitische Eingriffe kaum erreicht werden dürften.

Es wird immer deutlicher, dass die Geldpolitik allein die Probleme Europas nicht lösen kann. Christine Lagardes künftige Hauptaufgabe als neue EZB-Chefin wird darin liegen, Länder mit Budgetüberschüssen wie Deutschland und die Niederlande davon zu überzeugen, mehr zu investieren, um das Wachstum zu unterstützen. Innerhalb der EZB herrscht derzeit eine tiefe Spaltung. Einige Mitglieder des EZB-Rates bezweifeln die Wirksamkeit negativer Zinssätze und der quantitativen Lockerung zur Verbesserung der Kreditvergabe. Darüber hinaus gibt es die Besorgnis, dass sich Minuszinsen auf inländische Sparkassen und Banken ungünstig auswirken werden. Die Leiter der französischen und österreichischen Notenbanken haben sich öffentlich gegen die jüngsten geldpolitischen Maßnahmen der EZB ausgesprochen.

Der unerwartete Rücktritt des EZB-Direktoriumsmitglieds Sabine Lautenschläger, die zu den geldpolitischen Falken zählt, ist ein weiteres Zeichen für die Uneinigkeit innerhalb der Zentralbank. Aus Berichten im Anschluss an die EZB-Sitzung geht hervor, dass 9 von 25 Ratsmitgliedern ihre Ablehnung des kürzlich von Draghi angekündigten Lockerungspakets zum Ausdruck brachten. In diesem Zusammenhang muss seine Nachfolgerin Lagarde auch die Kohärenz zwischen den Mitgliedern des EZB-Rates verbessern. Letztendlich wird sie nur auf diese Weise in der Lage sein, den Rat geschlossen zu vertreten und damit den Investoren eine effektive und glaubwürdige Kommunikation zu ermöglichen.