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Raus aus dem Klimadilemma

Von Sigrid Stagl

Gastkommentare
Sigrid Stagl ist Professorin für Umweltökonomie und -politik an der Wirtschaftsuniversität Wien.
© WU Wien

Der aktuelle Entwurf des österreichischen Nationalen Energie- und Klimaplans ist unzureichend und eigentlich kein Plan.


Seit 40 Jahren weisen Wissenschafterinnen und Wissenschafter darauf hin, dass die Emissionen der aktuellen Produktions- und Lebensweise zu einer Klimakatastrophe führen. Zuletzt unterzeichneten 11.258 Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus 153 Ländern einen eindringlichen Appell für eine adäquate Klimapolitik.

Aufgrund fehlender klimapolitischer Maßnahmen befinden sich Unternehmen und Haushalte in einem sozialen Dilemma. Das ist eine Situation, in der die Gemeinschaft verliert, wenn jeder Einzelne versucht, das beste Ergebnis für sich zu erzielen. Der Grund dafür liegt in den falsch ausgerichteten Regeln. Es ist nicht nur schneller, sondern auch günstiger, per Flugzeug nach Barcelona zu reisen, als etwa mit der Bahn. Die Emissionen für die Flugreise sind freilich ein Vielfaches der Bahnreise. Dennoch reisen immer mehr - vor allem junge - Menschen per Bahn.

Um jedoch die große Masse der Menschen zu erreichen, müssen klimafreundliche Infrastruktur ausgebaut und klimaschädliche Infrastruktur rückgebaut werden, Nutzungsrechte entsprechend dem Wohl der Gruppe vergeben werden, die gesamten Kosten den Verursachern zugerechnet sowie schließlich Mobilitätsbedürfnisse überdacht und Spielraum für Experimente geschaffen werden. Es braucht einen Plan!

Auf die gesamte Volkswirtschaft übertragen, braucht es einen Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP), der soziale Dilemmata adressiert und die notwendige Transformation rasch und entschieden anstößt und ermöglicht. So ein Plan ist ein Beispiel für evidenzbasierte Politik, die auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse einen Prozess aufsetzt, der die im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziele erreichen kann. Der aktuelle Entwurf des österreichischen NEKP ist zu wenig ambitioniert und daher unzureichend. Weiters ist der NEKP nicht ausreichend operationalisiert und budgetiert, weshalb Zielerreichung oder -abweichung schwer eruierbar sind und die Umsetzung unklar bleibt. Österreich braucht endlich evidenzbasierte Klimapolitik. Die Grundlage dafür haben Wissenschafterinnen und Wissenschafter verschiedener österreichischer Universitäten im Sommer dieses Jahres als Ref-NEKP ausgearbeitet. Es liegen detaillierte Vorschläge für sektorübergreifende wie sektorale wissenschaftlich fundierte Maßnahmenpakete vor. Um sicherzugehen, dass demokratisch legitimierte Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger die Umsetzung der Transformation entsprechend der gesellschaftlichen Werte, welche sie repräsentieren, umsetzen können, haben wir vier verschiedene Umsetzungspfade in einem partizipativen Prozess erarbeitet. Der aktuell vorliegende Entwurf des NEKP macht frustrierend und gefährlich wenig Gebrauch von wissenschaftlichen Erkenntnissen und ist kein Plan.

Die Klimakrise braucht demokratische Politikgestaltung, die auf das beste vorhandene Wissen gründet. Weiteres Verschleppen der nötigen politischen Maßnahmen gefährdet genau das, was geschützt werden soll: menschliches Wohlbefinden und wirtschaftlichen Erfolg.