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Die Steuerzahler hätten sich mehr verdient

Von Dénes Kucsera

Gastkommentare
Dénes Kucsera ist Ökonom bei der Agenda Austria. Seine Forschungsschwerpunkte sind Pensionen, Steuern und Arbeitsmarkt.
© Markus Rössle

Mit der Beibehaltung der kalten Progression schafft die Regierung eine Entlastungsillusion.


Österreich ist ein absolutes Hochsteuerland, nur in vier anderen Staaten ist die Steuer- und Abgabenlast für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer höher. Es ist also tatsächlich eine entscheidende Herausforderung für die neue Regierung, dafür zu sorgen, dass den Arbeitnehmern von ihrem Erwirtschafteten mehr netto bleibt. Laut den im Regierungsprogramm definierten Pläne geht die türkis-grüne Regierung zwar mit der Entlastung in die richtige Richtung, aber nicht weit genug: Von den aktuellen fünf Tarifstufen sollen die drei untersten Tarifstufen von 25 auf 20, von 35 auf 30 und von 42 auf 40 Prozent gesenkt werden. Mit weiteren Entlastungen für die Familien - Erhöhung des Familienbonus von 1500 auf 1750 Euro je Kind und des Kindermehrbetrages von 250 auf 350 Euro - sollen die Bürger jährlich insgesamt um rund 4 Milliarden Euro entlastet werden.

Eine solche Entlastung klingt nach viel, wird unterm Strich aber von der kalten Progression merklich geschmälert und reicht bei weitem nicht aus, um die Belastung des Faktors Arbeit nachhaltig und entschieden zu senken. Um auf ein Niveau, welches dem EU-Durchschnitt entspricht, zu kommen, wäre ein doppelt so großes Entlastungsvolumen nötig.

Mit der kalten Progression - der automatischen Steuererhöhung, die dadurch entsteht, dass das Steuersystem im Gegensatz zu den Löhnen nicht an die allgemeine Teuerung angepasst wird - haben sich die Steuerzahler aber die geplante Reform zum Teil selbst vorfinanziert: Die kalte Progression wird ausgehend von der Steuerreform 2016 bis zum Ende des Jahres 2022 mehr als
8 Milliarden Euro zusätzliches Steuergeld in die Kassen gespült haben - bezahlt von allen Arbeitnehmern und Pensionisten. Die Entlastungen der ersten zwei Jahre der geplanten Steuerreform werden also von den Steuerzahlern durch die kalte Progression vorfinanziert, ohne dass sie davon wussten. Der Begriff kommt im 326 Seiten starken Regierungspapier jedoch nur ein einziges Mal vor, die Abschaffung soll lediglich "geprüft" werden.

Für die Steuerzahler wäre ein Wegfall dieser unsichtbaren Mehrbelastung jedenfalls eine große Erleichterung. Die Abschaffung dieser schleichenden Steuererhöhung würde besonders Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen helfen, die relativ zur Steuerlast am stärksten davon betroffen sind: Für Personen mit einem monatlichen Einkommen von 2000 Euro brutto würde die schleichende Steuererhöhung seit der vergangenen Reform sogar für eine zusätzliche Belastung von 76 Euro im Jahr 2021 sorgen. Die übrigen Einkommensbezieher würden zwar gewinnen, aber auch für sie würde ein Teil der Steuersenkung verpuffen.

Die Regierung müsste daher stärker entlasten, um den Steuerzahlern bis zum Ende der Legislaturperiode wirklich mehr Netto vom Brutto zu lassen. Dazu sollte die kalte Progression endlich abgeschafft werden. Passiert das nicht, werden weiterhin alle fünf Jahre vermeintlich große Steuerreformen politisch vermarktet, die in Wirklichkeit den Steuerzahlern nur jene Summen zurückgeben, die zuvor durch die kalte Progression eingenommen wurden.