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Schluss mit den Geschlechterklischees!

Von Katharina Braun

Gastkommentare
Das Heimchen am Herd - ein gesellschaftlicher Retrotrend.
© stock.adobe/ehidna

Viele der angeblichen Geschlechterunterschiede halten einer kritischen (wissenschaftlichen) Überprüfung nicht stand.


Der Studie "Medienobserver" zufolge kommen Frauen nur zu einem Drittel in der Medienberichterstattung vor. Dies vorwiegend im Zusammenhang mit Themen wie Lifestyle (Kochen, Mode, Urlaub), Beziehung/Sex und Beauty. Männer hingegen dominieren die Bereiche Politik und Wirtschaft. Dieses Phänomen der geringeren Sichtbarkeit von Frauen zeigt sich auch in anderen Gebieten. So ergab der sogenannte Bechdeltest, dass in durchschnittlich nur einem Drittel der Filme (sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in den USA) Szenen vorkommen, die folgenden drei Kriterien entsprechen: Es spielen mindestens zwei Frauen mit; die Frauen reden miteinander; und zwar über etwas anderes als Männer.

Auch dieser Versuch zeigte, dass Frauen weniger Aufmerksamkeit zuteilwird: In den USA legte man Hochschulprofessoren und -professorinnen Lebensläufe vor, die bis auf den Vornamen (einmal männlich, einmal weiblich) ident waren. Tatsächlich wurde der männliche Bewerber John gegenüber der weiblichen Bewerberin Jennifer bevorzugt. Dem Kandidaten John wurde mehr Entwicklungspotenzial zugesprochen.

Mehr Ähnlichkeitenals Unterschiede

Doch was macht nun wirklich eine echte Frau, einen echten Kerl aus? Menschen lieben klare Kategorien wie Gut/Böse oder Schwarz/Weiß. Mann/Frau ist ebenfalls so eine binäre Einteilung. Derartige Einteilungen helfen, komplexe Zusammenhänge zu vereinfachen. De facto ist die Geschlechtsidentität jedoch alles andere als klar. Denn es kommt nicht auf die primären Geschlechtsorgane alleine an. Auch die Bestimmung des Chromosomensatzes reicht für die tatsächliche Geschlechtsausrichtung nicht aus. Vielmehr spielen auch andere Einflussfaktoren wie Gene, Hormone oder die Sozialisierung eine Rolle.

Auch wenn dies Popularwissenschaftern nicht in den Kram passen mag: Viele der angeblichen Geschlechterunterschiede halten einer kritischen (wissenschaftlichen) Überprüfung nicht stand. Denn tatsächlich gleichen einander - abgesehen von physiognomischen Unterschieden (mit denen sich unter anderem die Gendermedizin auseinanderzusetzen hat) - Mann und Frau mehr, als dass sie sich unterscheiden würden. Die von Studien immer wieder angeführte bessere männliche räumliche Vorstellungskraft oder die vermehrte Sprachfähigkeit von Frauen wurden von anderen Forschungen immer wieder dahingehend relativiert, dass diese Unterschiede im Durchschnittsbereich unter anderem auch durch Erziehung und soziales Umfeld zu erklären seien.

Wie wir es auch drehen und wenden: Wir alle gehören der Spezies Mensch an. Viele der sogenannten Geschlechtsunterschiede scheinen ideologischen Ursprungs. Selbst die Farbzuschreibung Blau für die Buben und Rosa für die Mädchen erfolgte erst in den 1940er Jahren. Davor war es genau umgekehrt; stand doch Rot für Macht, Blau hingegen für Sanftmut und für die Jungfrau Maria. Noch immer hält sich aber hartnäckig das Narrativ vom starken, entscheidungsfreudigen Mann und der schwachen, friedvollen, anlehnungsbedürftigen Frau. Das ist ehernes Gesetz. Daran auch nur zu rütteln, mutet ketzerisch an.

Zwischen Familienarbeit und dem Status als Begleittrophäe

Dieses beharrlich gepredigte Prinzip sorgt dafür, dass es mehrheitlich die Frauen sind, die Familienarbeit leisten. So ist und bleibt Teilzeit Frauenarbeit. Dem AMS-Algorithmus zufolge führen allfällige Betreuungspflichten nur bei Frauen zu einer schlechter angenommenen Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt. Das AMS meint dazu, die Programmierung des Algorithmus sei gerechtfertigt, da dieser doch die soziale Realität abbilde.

Wir alle sind sehr stark unserem sozialen Umfeld mit all seinen Zwängen und Vorgaben unterworfen. Immer wieder hört man Menschen klagen, dass eine Frauenkarriere oft den Nachteil mit sich brächte, sich als Frau zu verlieren und "zum Mann werden zu müssen". Oft müssen sich Singlekarrierefrau die Nachrede gefallen lassen, bei ihrer "männlichen" Hartnäckigkeit dürften sie sich nicht darüber wundern, keinen Mann abgekriegt zu haben. Taffe, tüchtige Frauen werden von der Gesellschaft abgestraft. Frauen haben auf dem gesellschaftlichen Parkett nicht selten lediglich den Status einer Begleittrophäe, und so finden sich in den Medien nach wie vor nicht selten Bildunterschriften wie "Dr. XY mit charmanter Begleitung".

Dies ist traurig. Denn Frauen leisten viel. So gab und gibt es hervorragende Wissenschafterinnen und Politikerinnen. Aber es könnte noch viel mehr von ihnen geben, wenn Familienarbeit gerechter verteilt wäre. Indem jedoch Frauen selbst dem Mythos der Geschlechterunterschiede unterliegen und diese selbst immer wieder betonen, schwächen sie sich selbst. In Interviews mit Frauen wird die Familie eher als mögliches Karrierehemmnis angesprochen. Männer hingegen beschreiben die Familie eher als Kraftquelle.

Gesellschaftlicher Retrotrend: Frauen zurück an den Herd

Ich erlebe in meiner beruflichen Praxis einen gesellschaftlichen Retrotrend: Gut ausgebildete junge Frauen erklären, sich die Mehrfachbelastung von Familie und Beruf nicht antun und sich lieber ganz auf die Familie konzentrieren zu wollen. In Österreich bleibt laut Statistik Austria - auch nach einer Bereinigung der Daten unter Berücksichtigung von Faktoren wie etwa Branche, Beruf, Bildungsniveaus, Alter oder Voll-/Teilzeit - ein unerklärbarer Restunterschied von 13,6 Prozent an Gehaltsunterschied zwischen Frau und Mann (der "Equal Pay Day" war heuer in Österreich der 25. Februar). Frauen werden verstärkt von Schule und Umfeld in meist schlechter bezahlte "Frauenberufe" gedrängt. Abgesehen davon, dass Sozialberufe eigentlich viel besser entlohnt werden sollten, führt dies in weiterer Folge dazu, dass später eben oft die schlechter verdienende Frau zuhause bleibt. Unterschiedliche Ausgangssituationen reproduzieren somit Unterschiede.

Immer wieder hört man rund um die Thematik der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauen sollten doch endlich aufhören zu jammern. Kinder seien schließlich eine Privatangelegenheit, niemand habe sie gezwungen, welche zu bekommen. Kinder gehen uns jedoch alle an. Schließlich sind es auch unsere Kinder, die einmal unser Pensionssystem erhalten werden - oder wollen wir uns dann sagen lassen müssen, dass wir, die Alten, niemanden etwas angingen?

Frauen - ein Integrationsthema?

Das Frauenministerium ist nun mit dem Integrationsministerium zusammengefasst. Politiker ließen wissen, es sei aufgrund des "Imports einer gewissen Machokultur" zur Bildung dieses Ministeriums gekommen. Es wirkt, als seien Frauen eben noch zu integrieren - das stimmt bedenklich. Solange wir mit den vorherrschenden Rollenbildern nicht brechen, wird letztlich in der Familienpolitik alles beim Alten bleiben oder sogar in alte Muster zurückfallen. Ich würde mir wünschen, dass sich Frauen künftig noch viel mehr in den wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskurs einbringen, und dass mehr von uns Menschen, von der Gesellschaft als solcher gesprochen wird. Es gilt, das Einende hervorzukehren, anstatt (vermeintliche) Geschlechterunterschiede zu betonen. Ein alter Rechtsgrundsatz besagt: Nur Ungleiches ist ungleich zu behandeln, Gleiches gebietet aber eben eine Gleichstellung. Dort sollten wir endlich hinkommen.