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Wirtschaft und Notleidende finanzieren - aber wie?

Von Raimund Dietz

Gastkommentare
Raimund Dietz ist Wirtschaftswissenschafter, Geld- und Systemtheoretiker. Er war am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche tätig.
© privat

Die aktuelle Corona-Krise wäre ein perfekter Anlass, das finanzielle Verhältnis zwischen Staat und Zentralbank neu zu definieren.


Das neue Virus schlägt hart zu. Das Sozialprodukt wird deutlich schrumpfen und mit ihm auch die Steuereinnahmen. Generelle Erhöhungen der Steuersätze verbieten sich in Zeiten wie diesen.

Vor der Krise hieß es, Geld sei knapp. Jetzt plötzlich soll Geld da sein? Mit Sicherheit ist weniger da als vor der Krise. Woher kommt das Geld zur Krisenbewältigung? Da niemand Steuern erhöhen will, sind zwei Quellen möglich: die Druckerpresse der Europäischen Zentralbank oder Neuverschuldung.

Schuldenmachen ist jetzt kein probates Mittel. Schulden soll man eigentlich nur machen, wenn sie einen Mehrertrag einbringen. Das von der Regierung versprochene Krisengeld kann aber nur helfen, den wirtschaftlichen Abschwung moderater zu halten. Was helfen kann, ist mehr Geld von der Nationalbank beziehungsweise der Europäischen Zentralbank. Diese ist die einzige Institution, die Geld herstellen und der Regierung unentgeltlich zur Verfügung stellen könnte. Absurderweise ist Letzteres jedoch verboten. So muss sich der Staat stattdessen bei Geschäftsbanken verschulden und sichert so deren Geschäftsmodell.

Die aktuelle Corona-Krise wäre ein perfekter Anlass, mit diesem Unsinn endlich aufzuräumen. Ganz generell sollte gelten: Die Zentralbank hat die Aufgabe, das Mehr an Geld, das jährlich in Umlauf zu bringen ist, den Regierungen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Das sind im Normalfall 250 Milliarden Euro pro Jahr für die Eurozone. Im Krisenfall wie jetzt darf es temporär natürlich auch mehr sein. Bisher heimsen die Banken gut 90 Prozent des Geldschöpfungsgewinns ein. Das ist ungerecht und reizt nur zu ungesunden Spekulationsgeschäften, die Superreiche nur noch reicher, das Bankensystem deshalb aber nicht stabiler machen.

Da in der Eurozone die EZB die Instanz ist, die Geld schöpft, könnte sich diese Institution endlich günstig ins Licht rücken und die Eurozone mit dringend nötigen Geldmitteln beschicken, anstatt den Geschäftsbanken weiterhin nur Forderungen abzukaufen, die jene mit selbstgemachtem Geld seinerzeit erworben haben.

Das Modewort für die unentgeltliche Ausfolgung von Zentralbankgeld ist Helikopter-Geld. Das aber trifft nicht den Sachverhalt. Geld darf ja nicht einfach verstreut, sondern soll von einer politisch unabhängigen Instanz, der Zentralbank, in angemessenem Umfang generiert und demokratisch legitimierten Regierungen zur Verfügung gestellt werden, die es dann via Staatsausgaben in Umlauf zu bringen hätten. Kein Privater soll Geld durch irgendwelche Machenschaften in die Welt setzen dürfen. Das soll nur eine unabhängige Zentralbank tun dürfen. Schließlich ist sie per Gesetz für die Stabilität des Geldwesens zuständig. In einer Krise wie dieser reicht eine verantwortbare Geldschöpfung vielleicht nicht ganz aus. Zusätzliche Schulden können nötig werden. Aber auf die Möglichkeit einer direkten Zentralbankfinanzierung zu verzichten, ist weder politisch noch ökonomisch und schon gar nicht rechtlich vertretbar.