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Hände weg von der Pressefreiheit

Von Otmar Lahodynsky

Gastkommentare
Otmar Lahodynsky war bis 15. Februar Internationaler Präsident der Association of European Journalists (AEJ). Er war Redakteur beim Nahrichtenmagazin "profil".
© Ralph Manfreda

Die Lage der Medien zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai ist trist.


Eigentlich ist die Lage paradox: In der Corona-Krise sind seriöse Informationen gefragter denn je, aber gleichzeitig wird die Lage der Verleger und Journalisten immer prekärer. Auch in Österreich, wo viele Medienschaffende in Kurzarbeit samt Gehaltseinbußen werken.

Die Lage der Medien zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai ist trist: In der EU sind wegen der Pandemie bereits zehntausende Jobs im Mediensektor verloren gegangen. Verleger kämpfen nach drastischen Einbrüchen im Inseratengeschäft ums Überleben. Viele hoffen auf Hilfsprogramme der Regierungen. Die Corona-Sonderförderung der österreichischen Bundesregierung für Tageszeitungen und Magazine ist jedoch tückisch: Da sie von der Zahl der gedruckten Exemplare abhängt, kassieren Boulevardblätter und Gratiszeitungen den größten Anteil. Qualitätsmedien, die auch im Kampf gegen Fake-News immer wichtiger werden, erhalten dagegen nur wenig Geld.

Die Lage der Medien in Europa hatte sich schon vor der Pandemie verschlechtert, wie mehrere Medienorganisationen - darunter die Association of European Journalists (AEJ) - im neuen Jahresbericht der zum Schutz von Journalisten gegründeten Plattform des Europarates nachweisen. So nimmt der politische Einfluss auf Medien in vielen der 47 Mitgliedsländer zu. Im Vorjahr wurden 142 ernste Bedrohungen auf die Pressefreiheit registriert, darunter 33 physische Attacken auf Journalistinnen und Journalisten. Zwei Tötungen von Reportern - in Nordirland und in der Ukraine - blieben bisher ungestraft, ebenso der 2017 erfolgte Mord an einer maltesischen Journalistin. 43 Fälle von Einschüchterung und direkter Bedrohung werden im Bericht unter dem Titel "Hände weg von der Pressefreiheit" aufgelistet. 105 Journalisten saßen Ende 2019 wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, vor allem in der Türkei, in Russland und in Aserbaidschan. Kritisiert wird die laufende Übernahme von Medien durch Oligarchen und andere Gefolgsleute der Regierungen in Ungarn, Polen und Serbien.

Auch in Westeuropa nehmen Übergriffe auf die Medienfreiheit zu: In Großbritannien will die Regierung durch Kürzung der Beiträge die ehrwürdige BBC an die Kandare nehmen. Wikileaks-Gründer Julian Assange droht die Auslieferung in die USA. In Frankreich wurden Reporter bei Demonstrationen von Sicherheitskräften attackiert. In vielen Ländern wird das Redaktionsgeheimnis zunehmend durch neue Überwachungsmethoden ausgehebelt. In Österreich wurde die geplante Beschlagnahmung der Mobiltelefone einer Nationalratsabgeordneten und einer Journalistin im Auftrag des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung von der Justiz gerade noch vereitelt.

Die Corona-Pandemie hat die Medienfreiheit zusätzlich eingeschränkt. In mehreren Ländern wurden Gesetze gegen die Verbreitung von "falschen Nachrichten" erlassen, wobei die Regierungen selbst entscheiden, was darunter fällt.

Der neue Bericht des Europarats ist laut den Autoren "ein Weckruf", um "Angriffe auf die Pressefreiheit zu beenden, damit Journalisten ohne Angst berichten können". Ob alle 47 Regierungen diese Botschaft hören wollen, bleibt fraglich.