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Kanzler, Corona und Kartoffelsalat

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Warum bescheinigen österreichische Geistesmenschen ihren Landsleuten regelmäßig, miese Charaktere zu sein?


Wenn österreichische Intellektuelle oder das, was sich in Österreich für intellektuell hält, in ausländischen Zeitungen grundsätzlichere Betrachtungen anstellen, dann kommt dabei seit einer gefühlten Ewigkeit der immer gleiche Text heraus. Das Land wird da nie als bemerkenswert tüchtiges Gemeinwesen mit erfolgreichen Unternehmen, klugen Wissenschaftern und arbeitsamen Werktätigen dargestellt, sondern in der Manier Thomas Bernhards als Kloake der Dumpfheit, der Verlogenheit und der Schadenfreude. Ist immer so.

An dieses mittlerweile atemberaubend langweilige, unglaublich uninspirierte und völlig abgegriffene Drehbuch hielt sich auch der in ganz Österreich weltberühmte Regisseur David Schalko in einem jüngst unter dem Titel "Widerspruch ist zwecklos" in der "FAZ" publizierten Essay über Sebastian Kurz und Corona in Österreich.

Eine zentrale These des Textes: "Tatsache ist, dass Vorschriftshörigkeit, Denunziation, Mauscheln und Konfliktscheu zur österreichischen Mentalität gehören wie der Kartoffelsalat zum Schnitzel."

Abgesehen von der außerordentlichen Flachheit der Kartoffelsalat-Metapher ist dies eine Behauptung, ohne die vermutlich überhaupt noch nie ein Text österreichischer Provenienz über Österreich in einer deutschen Zeitung erschienen ist.

Trotzdem stellt sich die Frage, woher eigentlich Schalko und sein Milieu so genau wissen, dass Vorschriftshörigkeit, Denunziation, Mauscheln und Konfliktscheu für Österreicher so besonders charakteristisch sind. Wurde das je sozialwissenschaftlich vermessen - oder ist es vielleicht nicht mehr als eine Vermutung, die stimmen kann oder nicht?

Denn Vorschriftshörigkeit gibt es wohl bei vielen anderen Nationalitäten ganz genauso; dass in den Führungsebenen von Rom, Paris, Washington oder Peking weniger Mauscheln zu beobachten wäre als in Wien, würde überraschen; und dass Japaner, Schweden oder Tschechen ähnlich konfliktscheu sein könnten wie die Österreicher, ist nicht ganz auszuschließen. Hier wird ein Klischee bedient, das ungefähr so gedankenscharf ist wie das Bild von faulen Griechen, tüchtigen Deutschen oder seitenspringenden Franzosen.

Dass sich österreichische "Intellektuelle" unverdrossen dieser ärmlichen Argumentation bedienen, dürfte einen simplen Grund haben: Das Zerrbild ist nötig, um nicht-linke Politiker, diesfalls Kanzler Kurz, logisch stimmig anpinkeln zu können. "Die Welt im ständigen Ausnahmezustand ist auf jeden Fall wesentlicher Bestandteil seiner Ideologie. Fest steht auch, dass Autokraten wie Kurz in Zeiten wie diesen mehr Angst als Zuversicht verbreiten", behauptet Schalko allen Ernstes; leider ohne den geringsten Hinweis darauf, warum Kurz ein "Autokrat" (laut Lexikon "Alleinherrscher, der die unumschränkte Staatsgewalt für sich beansprucht") und der "Ausnahmezustand Teil seiner Ideologie" ist, was auch immer das bedeuten mag. Der Popanz klappt, wenn überhaupt, aber nur, wenn dem "Autokraten" ein debiles Trottelvolk gegenübersteht, das devot pariert. Seine Heimat dermaßen verzerrt darzustellen, gehört zum hiesigen "Intellektuellen" ganz offenbar wie - erraten - Kartoffelsalat zum Schnitzel. Mahlzeit!