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Wie die Zukunft Europas aussehen soll

Von Helmut Pietzka

Gastkommentare
Helmut Pietzka war bis zu seiner Pensionierung Finanzmanager in multinationalen Unternehmen.
© privat

Ist die EU nur als Solidaritätsunion langfristig haltbar?


In welche Richtung soll sich die EU entwickeln? Bei der Beantwortung dieser Frage muss man berücksichtigen, dass die europäische Einigung schon immer als Baustelle und Elitenprojekt geplant war. Jetzt gilt es, die endgültige Organisationsform zu entwickeln und die Bürger zu beteiligen. Danach müssen die künftig nötigen und die bereits verkündeten EU-Krisenhilfen für Mitgliedsländer europarechtlich einwandfrei abgesichert werden. Schließlich muss noch ein europaweit gleiches Asylrecht auf die Beine gestellt werden.

Die endgültige Organisationsform der EU wird maßgeblich die durch die Corona-Krise ausgelöste Notstandsfinanzierung beeinflussen. Die Finanzierungsfragen sollten nicht durch Umgehung europarechtlicher Vorschriften geregelt, sondern via Änderung des Vertrags von Lissabon gelöst werden, genehmigt durch Volksabstimmung. Was sind mögliche Organisationsformen der EU?

Variante A: Bestandssicherung der EU, Übernahme von zeitlich und betraglich limitierten Zahlungsverpflichtungen und Garantien durch die Mitglieder für Hilfen an schwache EU-Staaten.

Variante B: Ausbau der EU (Westbalkan) und Integrationsvertiefung (weitere Übergabe von Souveränitätsrechten und Kompetenzen an die EU) in Richtung europäischer Großstaat. Die zeitlich und betraglich nicht mehr limitierte Hilfsverpflichtung der Mitgliedsländer wird mittels europäischem Finanzausgleich geregelt, weil die Nationalstaaten entmachtet werden.

Variante C: Rückbau zum Europa der Vaterländer ohne vertragliche Hilfsverpflichtungen der EU-Länder. Hilfen an einen Staat sind aber mittels völkerrechtlichem Vertrag möglich.

Wie soll der entstehende Block Europa künftig in der Welt auftreten: als Militärmacht wie die USA, als großer Infrastrukturinvestor wie China oder als Beispielgeber für die Verwirklichung der Demokratie und des Konzepts vom "guten Lebens für alle Bürger"? Kommen Militärmacht und großartiger Infrastrukturinvestor überhaupt in Frage? Wenn nein, dann bleibt nur die letzte Option. Wie kann die demokratische Praxis in Europa verstärkt werden? Wie soll das "gute Leben für alle Europäer" realisiert werden? Die unterschiedliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Struktur ihrer Mitglieder macht die EU wohl nur als Solidaritätsunion langfristig haltbar, besonders wenn die schnelle Anhebung des Lebensstandards in allen europäischen Regionen das Ziel ist. Die nötigen Transferverpflichtungen der Mitglieder werden aber vermutlich nur mit kontrollierbaren Reformen in den Empfängerländern akzeptiert werden.

Bei der Solidaritätsunion besteht zeitlich unbegrenzte Hilfsverpflichtung von EU-Kommission und EU-Staaten (mit vereinbarten Anteilen) gegenüber Mitgliedern in Schwierigkeiten. Vergemeinschaftung der Schulden der EU Mitglieder, gemeinsame Sicherung ihrer Banken und Zuschüsse in Arbeitslosenversicherungen sind Vorstufen der Solidaritätsunion. Als Gegenleistung für die Übernahme von Garantien für den Wiederaufbaufonds sollten die EU-Staaten eine Änderung des EZB-Regulativs fordern. Ausdrücklich beschränkt werden sollten Anleihenkäufe und Flutung der Banken mit Billiggeld. Bei Zinsentscheidungen sollte die EZB die Wirkung auf Sparverhalten und Eigenvorsorge der Bürger berücksichtigen müssen.