Zum Hauptinhalt springen

Eine Weltordnung chinesischer Prägung?

Von Gunther Hauser

Gastkommentare
Gunther Hauser ist Ehrenprofessor der Donau-Universität Krems, Leiter des Referats Internationale Sicherheit am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik der Landesverteidigungsakademie in Wien und Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Geopolitik und Strategien großer Mächte.
© Scheinast/Salzburg

China ist derzeit noch sehr weit vom Status einer militärischen Supermacht entfernt, dieser könnte aber in absehbarer Zeit Realität werden.


Seit der wirtschaftlichen Öffnung der Volksrepublik China, die 1978 unter Deng Xiaoping eingeleitet wurde, befindet sich das Land in einem enormen wirtschaftlichen Aufholprozess. Die mittlerweile zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zeigt auch offen großmachtpolitische Ambitionen auf militärischer und auf wirtschaftlicher Ebene, so vor allem im Südchinesischen Meer. Am 19. April gab die Volksrepublik 80 Inseln in dieser umstrittenen Region chinesische Namen. Als Regierungen mehrerer westlicher Staaten, darunter die australische, eine unabhängige Untersuchung des Corona-Ausbruchs in China einforderten, warnte die Führung in Peking ihre Bürger vor Australien-Reisen und riet auch von Studien an australischen Universitäten ab. Als Grund wurde eine "Zunahme rassistischer Übergriffe auf Chinesen" in Australien genannt, was die Regierung in Canberra vehement bestritt. China erhob im Juni zudem höhere Zölle auf australische Gerste und untersagte den Import von Rindfleisch aus vier großen australischen Schlachthöfen.

Militärisch baut China enorm seine Fähigkeiten aus, ohne ein Militärbündnis mit Staaten oder Staatengemeinschaften anzustreben. China ist derzeit noch sehr weit vom Status einer militärischen Supermacht entfernt, er könnte mit dem Aufstieg zur wirtschaftlichen Globalmacht jedoch in absehbarer Zeit Realität werden. Mit der 2013 eingeleiteten "Neuen Seidenstraße" - verbunden mit Multilateralismus - soll in der Folge ein weltweites wirtschafts- und auch kulturpolitisches Netzwerk mit China als neuem Zentrum entstehen. Das Ziel Chinas ist es, mit diesem äußerst flexibel ausgestalteten Projekt - von einer "arktischen Seidenstraße" bis zur "Seidenstraße der Gesundheit" - wirtschaftspolitisch verstärkten Einfluss über Eurasien gegenüber den USA zu erringen. Schließlich soll sich die Volksrepublik bis 2049 zu einem "Weltklasse-Akteur" entwickeln - mit einer "Weltklasse-Wirtschaft", einer "Weltklasse-Armee" und der Führerschaft in allen Sparten der modernen Technologie - so vor allem in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Hyperschallwaffentechnologie. Für seine ambitionierten Ziele beansprucht China auch die Arktis, in der laut US-Schätzungen gut ein Drittel des noch unentdeckten Gases und 13 Prozent der Ölreserven liegen. China leitet seine Ansprüche in der Arktis aus den durch die Eisschmelze ausgelösten Folgen der Klimaveränderung ab. Also bezeichnet sich China als "arktisnahen Staat" und beansprucht einen Platz als Beobachter im Arktischen Rat.

Mit der "Neuen Seidenstraße" wird Afrika ebenfalls umfassend verbunden. Dort nehmen Chinas Direktinvestitionen in der Folge exorbitant zu, was die wirtschaftliche Abhängigkeit vieler afrikanischer Länder von China erhöht. Die Führung in Peking versucht, ihren Einfluss international auszuweiten - gerade in Zeiten, in denen die USA für viele Staaten nicht mehr als zuverlässiger Partner gelten. Bis 2049 ist China jedenfalls unter zeitlichem Druck, um seinen umfassenden Führungsanspruch zu verwirklichen.