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Lehren aus Corona

Von Katharina Braun

Gastkommentare

Die jüngste Krise birgt bei allem Schrecken sehr viele Chancen und zeigt Prioritäten auf.


"Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen", schrieb Max Frisch. Krisen bieten immer die Chance für einen Neubeginn und Veränderung zum Positiven. Binnen kürzester Zeit wurde in Österreich vieles umgesetzt, was sonst nie so möglich gewesen wäre.

Homeworking
und Datenschutz

Viele Unternehmen wehrten sich bis zum Lockdown gegen Teleworking. Auf einmal zeigte sich, dass Teleworking sehr wohl funktionieren kann. In dieser außerordentlichen Situation wurde aber auch der Datenschutz teilweise ausgehebelt. Videokonferenzen erlebten einen gewaltigen Boom. Auch in der Justiz kamen diese zum Einsatz. So wurden dringende Gerichtsverhandlungen per Zoom-Meeting durchgeführt. Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der einzelnen Maßnahmen und eine allfällige Adaptierung des Datenschutzes werden die Justiz wohl noch länger beschäftigen.

Digitalisierung und
Internet-Abdeckung

Es zeigte sich auch die Wichtigkeit der Digitalisierung und der österreichweiten Netz- und Internet-Abdeckung. Denn plötzlich waren alle auf mobile Erreichbarkeit angewiesen. Mobilnetz und Internet waren für sehr viele die einzige Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu bleiben.

Schnellere
Behördenwege

Corona-bedingt sind Behördentermine nun vorab telefonisch oder online im vorhinein zu vereinbaren. Bei den Terminen selbst kommt es dann zu keinen Wartezeiten, und diese werden zügig in dem dafür vorgegebenen Zeitfenster abgearbeitet. Diese Praxis kann gerne beibehalten werden.

Justiz im Ruhemodus
und Unterhaltszahlungen

Die Justiz wurde ebenfalls auf einen Notbetrieb heruntergefahren. Verhandlungen, die nicht ganz dringend waren, wurden abberaumt. Seit Mai finden nun wieder Gerichtsverhandlungen statt. In den Gerichtsgebäuden sind Masken zu tragen. Verhandelt wird in größeren Verhandlungsräumen, der Abstand ist einzuhalten. Bei der Verhandlung wird dann, abhängig vom jeweiligen Richter, mit oder ohne Maske verhandelt.

Was bedeutet diese Ausnahmesituation nun etwa für Unterhaltszahlungen? Gerade in der Krise wurde ja für viele, während die Fixkosten weiter liefen, aufgrund von Jobverlust das Geld knapp. Nach wie vor gibt es keinen Mindestkindesunterhalt vom Staat. Für eine staatliche Kindesunterhaltsbevorschussung braucht es einen Titel, der in der Corona-Krise aber nur in Form eines Einstweiligen Unterhalts zu erwirken war. Ein einstweiliger Kindesunterhalt ist in der Höhe nach oben jedoch mit dem Betrag der Familienbeihilfe beschränkt. Covid-19 hat also einmal mehr aufgezeigt, wie wichtig die schon seit langem von Initiativen (etwa www.forumkindesunterhalt.at) geforderte staatliche Kindesunterhaltssicherung im monatlichen Ausmaß des einfachen Regelbedarfs wäre (je nach Kindesalter aktuell 212 bis 590 Euro monatlich).

Bundesweite, kostenlose Kinderbetreuung

Es zeigte sich einmal mehr, wie wichtig eine bundesweite flächendeckende - und möglichst kostenlose - Kinderbetreuung ist. Bei den paar wenigen in der Schule verbliebenen Schülern handelte es sich meist um Kinder, deren Eltern in der Krise Dienst für Österreich verrichteten - dies waren oft im Handel tätige Alleinerzieherinnen.

Im Lockdown hatten auch viele Väter, wenn auch gleich unter erschwerten Bedingungen, die einmalige Gelegenheit, den Tag mit Kindern zu verbringen und zu sehen, dass Kinderbetreuung alles andere als ein Kinderspiel ist. Und Arbeiten neben Kleinkindern ist eine echte Herausforderung. Die Frage des von der Arbeit nach Hause kommenden Mannes an seine Frau mit Kindern, was diese denn den ganzen Tag daheim denn getan habe, sollte hiermit (wenngleich dies leider wahrscheinlich nur ein frommer Wunsch ist) der Vergangenheit angehören.

Die (nur kurz sichtbaren) Helden der Gesellschaft

Es heißt oft, die Menschen würden immer egoistischer. Gerade in der Krise zeigte sich jedoch, dass viele ehrenamtlich helfen wollen und es auch tun. Da hörte und las man von Menschen, die bereitwillig für Nachbarn Besorgungen erledigten. Es entstanden sehr viele großartige Initiativen, bei denen Unternehmen und Privatpersonen (kostenlose) Beratungen anboten, zu Fragen rund um Unternehmen, Familien, Krisenintervention etc. Es zeigte sich, wie außerordentlich wichtig sozialer Einsatz für die Aufrechterhaltung der Gesellschaft ist.

Jedoch eine Epidemie ist eben auch keine moralische Besserungsanstalt. Die Gierigen bleiben gierig. Allgemein war eine Verschlechterung der Stimmung bei vielen bemerkbar, als diese in etwa Anfang April erstmals einer Einnahmenreduktion gewahr wurden. Medial war dies bemerkbar bei der Diskussion, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß Geschäftsraummieten zu reduzieren oder gar auszusetzen seien. Diesbezüglich machten auch die Vertretungen interessenabhängig unterschiedliche Aussendungen.

Mancher Arbeitgeber zahlte seinen Mitarbeitern Corona-bedingte Prämien aus, sei dies als Geldzahlung oder als Warengutschein. Nach den in der Krise viel beklatschten Helden kräht leider inzwischen kaum noch ein Hahn. Für Handelsangestellte liegt das Mindestgehalt für Vollzeitangestellte bei 1.714 Euro, wobei ein Großteil dieser Mitarbeiter in Teilzeit arbeitet. Für das Pflegepersonal in Alten- und Pflegeheimen liegt das monatliche Bruttomindesteinkommen zwischen 1.756,31 und 2.736,84 Euro. Es ist längst überfällig, dass systemerhaltende Positionen entsprechend entlohnt werden.

Mehr Geld für
Beratungsstellen

Die diversen Beratungsstellen leisteten und leisten ebenfalls Großartiges. Sie haben ihre Telefonie, aber auch ihr Chat-Angebot ausgebaut. Denn für Frauen in krisenbehafteten familiären Situationen wurde es noch schwieriger als sonst zu telefonieren, chatten ging da einfacher. Hier bedarf es mehr finanzieller Mittel seitens der Politik, um diese wichtigen Dienste zu gewährleisten beziehungsweise ausbauen zu können.

Gewinner der
Corona-Krise

Während sehr viele Unternehmen Corona-bedingt starke Einnahmenrückgänge verzeichneten und wirtschaftlich zu kämpfen hatten, erlebten andere einen Boom wie nie. So stieg etwa die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln enorm, und auch der Radhandel konnte sich über eine rege Nachfrage freuen. Denn viele stiegen von den Öffis aufs Rad um oder hatten nun verstärkt Zeit, sich sportlich zu betätigen. Auch Entrümpelungsunternehmen hatten mehr zu tun als sonst.

Zu wünschen wäre, dass das Besinnen auf regionale Werte nicht verpufft und viele sich verstärkt Gedanken über den Ursprung von Lebensmitteln wie überhaupt die Lebensbedingungen von Menschen, aber auch Tieren zu machen. So sollten Lebendtiertransporte quer durch Europa endlich der Vergangenheit angehören, und wären hier die rechtlichen Rahmenbedingungen (auch auf europäischer Ebene) zu schaffen.

Detoxing by Corona - die Welt auf Zwangspause

Für viele bot sich im Lockdown eine Gelegenheit zur Lebenszwischenbilanz: Lebt man seinen Vorstellungen entsprechend? Möchte man so nach Corona (beruflich, privat) weitermachen? Was macht einen im Leben wirklich zufrieden? Wer sind die Menschen, mit denen man wirklich gerne Zeit verbringt? Wer sind hingegen nur Energiesauger? Wie viel an materiellen Werten benötigt man wirklich? Nun war auch Zeit für bisher zu kurz gekommene Hobbys. So konnten Musikinstrumente geübt, ein Tagebuch über die Quarantäne geschrieben, Fotos sortiert, Unnötiges ausgemistet, viel gelesen und Hörspiele genossen werden. Ausgaben für Fortgehen und Reisen fielen weg. Wichtige Eigenschaften eines idealen Sparring-Partners für eine Quarantäne zeigten sich: Gelassenheit, Zuversicht und Humor.

Covid-19 förderte auch Missstände zu Tage

Corona-bedingt kamen schon lange bestehende Missstände zu Tage, so die unzureichenden Arbeitsbedingungen, wie in so machen Schlachtbetrieben. Diese Missstände sollten nun wirklich eine nachhaltige Aufarbeitung erfahren.