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Was ist die Alternative für Zuwandererkinder?

Von Sabine M. Fischer

Gastkommentare
Sabine M. Fischer, Inhaberin von Symfony Consulting, ist Wirtschaftspädagogin, Human-Factor-Unternehmensberaterin und Sprecherin des AK Industrie 4.0/IoT in Wien. Symfony / Klaus Prokop

Favoriten brennt nicht, aber das Feuer fürs Gemeinsame ist zu klein.


Wenn Jugendliche mit Migrationshintergrund sich 2020 in Wien für Straßenkämpfe mobilisieren lassen, dann steckt abgesehen von Abenteuerlust eine Welt dahinter, die Orientierung, Schutz und Möglichkeiten verspricht - und oftmals einhält. Und "wir anderen" müssen uns fragen, welche lebbaren Alternativen wir dazu ermöglichen.

Das österreichische Bildungssystem war für die meisten Jugendlichen die erste Begegnung mit dem außerfamiliären staatlichen System. Gegen Lernen und Fleiß verspricht es allen gute Noten. Leider kann man sich darum nichts kaufen, und innerhalb der Familie gibt es auch nicht immer Wertschätzung und Unterstützung dafür - dies gilt je nach Milieu für autochthone österreichische Familien ebenso wie für solche mit Migrationshintergrund.

Auffallend ist, dass Letztere häufig unternehmerische Mitglieder haben, die ihre Angehörigen gern in ihre Firmen aufnehmen.

Dadurch wird Überforderung beim Lernen in der österreichischen Schule von Burschen oftmals kompensiert mit der Aussicht auf einen Job in der Firma des Onkels. Wenn der Lehrer für Anstrengung im besten Fall einen Einser und einen feuchten Händedruck bieten kann, der Onkel aber ganz ohne Assessment Center einen konkreten Job mit eigenem Einkommen, dann ist es nicht schwer zu erraten, wem der junge Mann mehr vertraut und wessen Aussagen er ernst nimmt. Die wirtschaftlichen Verbindungen schaffen selbstredend auch weltanschauliche Abhängigkeiten.

Mädchen aus familienorientierten Kulturen wiederum verzweifeln manchmal am Nutzen ihrer Anstrengungen in der Ausbildungszeit: "Und wofür das alles? Damit ich mit vier Kindern und am Herd ende . . ." Denn für sie ist es aufgrund ihrer Herkunftskultur nicht sicher, dass sie auf ihrem Schulabschluss tatsächlich eine Universitäts- oder sonstige berufliche Karriere aufbauen können.

Somit ergeben sich drei wesentliche Fragen an die Mehrheitsgesellschaft:

Welche ernsthaften Alternativen und welchen Schutz bieten wir unseren Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu den Angeboten und Vorgaben der Familien, in die sie hineingeboren worden sind?

Wie beteiligen wir Jugendliche mit Migrationshintergrund an der Beendigung von Diskriminierung aller Art in unseren Institutionen und Strukturen?

Wie schaffen wir mehr Bewusstsein für die Vorzüge eines Lebens in Österreich?

Die Benachteiligungen, die Frauen im Berufsleben erfahren, ebenso wie jene von behinderten und älteren Menschen etc., sind noch nicht beseitigt! Jugendliche mit Migrationshintergrund könnten ihre "exzeptionelle Opferrolle" ablegen und ihren Ärger über Diskriminierung in das Engagement gegen gesellschaftliche Benachteiligung jeder Form und für eine wichtige Entwicklung Österreichs einbringen.

Der vorhandene Wohlstand wurde gemeinsam geschaffen - für die Zukunft ist es erfolgsentscheidend, dass wir alle Kräfte für den Erhalt mobilisieren können. Jeder kann dazu etwas beitragen - wenn wir sie und ihn ernst nehmen und die notwendigen Partizipationsmöglichkeiten ausbauen.