Zum Hauptinhalt springen

Aktien mit "Airbags" gegen Makro-Schocks

Von Franz Weis

Gastkommentare

Covid-19 hat sich als Turbo für ohnehin starke Wachstumstrends herausgestellt.


Ob nun die Dotcom-Blase, die Finanzkrise 2008 oder die aktuelle Corona-Pandemie - stets rauschten die Aktienkurse gen Süden, um sich einige Zeit später wieder nach oben zu wuchten. Erfahrene Anleger wissen allerdings: Der Crash kommt, die Frage ist nur wann. Umgekehrt gelten turbulente Zeiten als Stresstest, bei dem geprüft wird, wie robust die eigene Anlagestrategie ist. Während aktuell Maßnahmen der Regierungen und Zentralbanken eine stotternde Wirtschaft am Leben halten, hat sich Covid-19 als Turbo für ohnehin starke Wachstumstrends herausgestellt. Der europäische Life-Science- und Med-Tech-Sektor etwa stellt lebensnotwendige Produkte her, deren Nachfrage sich durch Covid-19 beschleunigt hat. In der Informationstechnologie hingegen erhöht sich das Wachstum langfristig, denn die steigenden Investments in digitale Infrastruktur werden sich kaum mit einem Corona-Impfstoff bremsen lassen.

Im Zuge der Pandemie blieben weltweit Flugzeuge am Boden, Gaststätten und Lokale wurden geschlossen, ganze Lieferketten waren für mehrere Monate unterbrochen. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung erlebte einen Lockdown, und es ist zu erwarten, dass das Jahr 2020 den stärksten Konjunktureinbruch in Friedenszeiten markieren wird. Dies hatte auch Auswirkungen auf Comgest. Noch nie in der 30-jährigen Geschichte unseres Aktienmanagements wurde unser auf Qualitätswachstum basierender Anlagestil derart geprüft. Wir führten umgehend Stresstests durch: Erstens wurde die Nettoliquidität in den Bilanzen überprüft, um sicherzustellen, dass selbst eine anhaltende Krise bewältigt werden kann. Zweitens wurde der Fokus auf die möglichen langfristigen Folgen für die einzelnen Unternehmen gelegt. Krisenfeste Titel finden wir vor allem in strukturell wachsenden Märkten wie der Technologie- und Gesundheitsbranche. So hat etwa die E-Commerce-Penetration in sechs Monaten eine Entwicklung geschafft, für die vorher fünf Jahre nötig waren.

Nicht immer fängt derfrühe Vogel den Wurm

Das Gesundheitswesen ist ein Bereich, der selbst in einer Rezession gut abschneidet. Dabei beziehen wir uns unter anderem auf ein beständiges Wachstum der US-Gesundheitsausgaben seit dem Jahr 1970. Health Care ist ein Megatrend, der von einer stetig alternden Bevölkerung getrieben wird. Ein struktureller Rückgang der Ausgaben wäre gerade angesichts der aktuellen Pandemie sehr unwahrscheinlich. Das kommt Unternehmen wie Ambu, Roche oder Novo Nordisk zugute. Ambu produziert Einwegendoskope, die dazu beitragen, Ansteckungen etwa durch Covid-19-Infizierte weitgehend zu vermeiden, und Beatmungsmasken, die während der Covid-19-Krise außerordentlichen Absatz fanden. Roche ist das weltweit führende Unternehmen für biologische Arzneimittel zur Krebsbehandlung, was eine entsprechende Preissetzungsmacht mit sich bringt. Und das dänische Pharma-Unternehmen Novo Nordisk ist für seine marktführende Diabetes-Behandlung bekannt.

Eine steigende Flut hebt jedoch nicht alle Boote an. Der medizinische Forschungsbereich ist teuer und laut aktuellen Studien schafft es nur eines von 10.000 Medikamenten im Entwicklungsstadium auf den Markt. So entwickelte der französische Pharmakonzern Sanofi beispielsweise den hochwirksamen Insulin-Stoff Lantus, der sich zu einem Multimilliarden-Dollar-Medikament etablierte. Doch auch Novo Nordisk brachte einen gleichwertigen Insulin-Stoff auf den Markt, der die Marktführerschaft übernahm. In einer Branche, in der es eigentlich ausschlaggebend ist, First Mover zu sein, verlor Sanofi an Boden, wobei der mangelnde Produktfokus die Tür für den Wettbewerb öffnete. Während sich der Umsatz von Novo Nordisk seit dem Jahr 2000 versiebenfacht hat und sich das Unternehmen als Diabetes-Spezialist etablieren konnte, hat Sanofi im vergangenen Jahr bekanntgegeben, sich vollständig aus der Diabetes-Forschung zurückziehen zu wollen.

Wiederkehrende Erträgeals Schutzschild

Als zweiten großen Wachstumsbereich sehen wir die Technologiebranche. Unabhängig von aktuellen Entwicklungen beschleunigen sich der technologische Fortschritt und die Digitalisierung. Auch hier hat Covid-19 als Beschleuniger gewirkt. Der dramatische Anstieg von E-Commerce-Umsätzen führt zu einem massiven Anstieg von Investitionen in die digitale Infrastruktur von Einzelhandelsunternehmen. Als Beispiel kann die spanische Inditex genannt werden, die knapp 40 Prozent ihrer Investitionsausgaben über die kommenden Jahre hinweg in diesen Bereich investiert.

Der Digitalisierungsschub kommt aber auch Unternehmen wie ASML und Adyen zugute. ASML ist ein Anbieter von Lithographie-Ausrüstung für die großen Giganten wie TSMC und Samsung in der Halbleiterindustrie, wo die Ausgaben für digitale Infrastruktur und Datenbanken zum wichtigen Wachstumstreiber geworden ist. Die Ausgaben für die Halbleiterausrüstung schießen generell in die Höhe - man muss dazu nur an die enormen Summen denken, die etwa für Rechenzentren ausgegeben werden, um Streaming-Dienste wie Netflix zu ermöglichen, oder auch für E-Commerce-Plattformen wie Amazon. Der Zahlungsabwickler Adyen gewinnt etwa jedes Mal, wenn eine Zahlung online getätigt wird. Generell nehmen stationäre Käufe immer mehr ab, was das strukturelle Wachstum von 15 Prozent pro Jahr für Online-Zahlungen erklärt. Zudem ist Adyen führend bei Blue-Chip-Klienten wie Uber, Netflix und Spotify - immer, wenn dort Geld fließt, verdient Adyen mit. Durch die Pandemie hat der Bargeldverkehr massiv gelitten, zugunsten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, und damit das ohnehin dynamische Wachstum von Fin-Tech-Unternehmen wie Adyen beschleunigt.

Zukunftsprognosen sind allerdings schwierig: Auf der einen Seite könnte eine zweite Welle eine anhaltende wirtschaftliche Rezession auslösen, die durch die Rücknahme staatlicher Hilfsprogramme und einer beeinträchtigen Nachfrage noch verstärkt wird. Auf der anderen Seite könnten das Ausbleiben einer zweiten Welle, ein Impfstoff sowie eine starke Erholung des Konsums zu einer unerwartet schnellen Rückkehr des Wirtschaftswachstums führen. Je nach Szenario könnte der Ausblick für die Unternehmensgewinne kaum unterschiedlicher ausfallen. Allerdings wurden die Positionen im Portfolio genau aufgrund ihres "Airbags" gegenüber Makro-Ereignissen ausgewählt - ob durch den defensiven Charakter ihrer Endmärkte, wie im Gesundheitswesen, oder durch ihre periodisch wiederkehrenden Erträge, wie im Technologie-Bereich. In beiden Fällen hat sich Covid-19 als Turbo erwiesen. Die angekündigten Investitionen in digitale Infrastruktur sind Zweitrundeneffekte mit hoher Halbwertszeit, die Investoren in den kommenden Jahren noch viel Freude bereiten werden.