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Eine budgetäre Enttäuschung

Von Bruno Rossmann und Helfried Bauer

Gastkommentare

Der Finanzminister hat ein unzulängliches Krisenbudget ohne strukturellen Entwicklungsschub vorgelegt.


Die Covid-19-Pandemie hat uns die Krisenanfälligkeit unseres Wirtschaftssystems und der Wirtschaftsstruktur deutlich vor Augen geführt. Großspurig kündigte daher eine Reihe von Politikern an, die strukturellen und institutionellen Probleme anzugehen, um eben diese Krisenanfälligkeit dauerhaft zu reduzieren und die Weichen für ein resilientes und nachhaltiges Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu stellen. Das Budget 2021 und ein strategisch angelegter mittelfristiger Finanzrahmen mit klaren Zielsetzungen hätten erste Schritte in diese Richtung ermöglicht. Dementsprechend groß war die Enttäuschung, als Finanzminister Gernot Blümel am 14. Oktober seine Budgetrede präsentierte.

Der Budgetentwurf 2021 bildet schwerpunktmäßig die bereits bekannten Krisenmaßnahmen ab. Dazu gehören zunächst die vielen Förderinstrumente zum Ausgleich der Einkommensverluste (Kostenzuschüsse, Kurzarbeit, Steuerstundungen), die aus dem Angebotsschock der Covid-Krise entstanden sind. In der Umsetzung dieser grundsätzlich richtigen Nothilfen zeigten sich jedoch schwerwiegende Steuerungsdefizite.

Das Konjunkturpaket, das dem tiefen Wirtschaftseinbruch entgegenwirken soll, weist ebenfalls gravierende Mängel auf. Es fokussiert zu stark auf den Unternehmenssektor, entlastet die Niedrigverdiener wegen einmaliger Transfers (Arbeitslosengeld, Familienbonus, Negativsteuer) weniger stark als die obere Mittelschicht, verabsäumt die dringend notwendige dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes und vernachlässigt die Bekämpfung der stark steigenden Langzeitarbeitslosigkeit, die Betroffene samt Angehörigen unmittelbar in die (Kinder-)Armut führt. Ein Konzept zur Finanzierung dieser Maßnahmen inklusive einer stärkeren Besteuerung von Vermögen wird dem Koalitionsfrieden geopfert.

Strategische Defizite der Wirtschaftspolitik . . .

Darüber hinaus enthält der Budgetentwurf 2021 einige aktuelle Schwerpunktsetzungen aus dem Regierungsprogramm wie Bildung, Digitalisierung oder Justiz. Hervorzuheben sind vor allem die deutlichen Mehrausgaben für die Zukunftsbereiche Klimaschutz und Mobilität, die sich im Budgetplan auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Das ist positiv zu sehen und ermöglicht einen ersten Schritt zum Umbau der Wirtschaft, der unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vorangetrieben werden sollte.

Ein Blick in den Nationalen Energie- und Klimaplan zeigt jedoch, dass dies zur Erreichung der Klimaziele bei weitem zu wenig ist. Dazu - und das ist die entscheidende Kritik am Budgetentwurf - wären strukturelle Änderungen notwendig. Zwei zentrale Elemente zur Erreichung der Klimaschutzziele wurden ohne nähere Begründung auf Eis gelegt: die Ökologisierung des Steuer- und Abgabensystems in Richtung einer sozial verträglichen CO2-Bepreisung (erste Schritte wie die Neugestaltung der NoVA und der Pendlerpauschale sollten bereits 2021 gesetzt werden) und die Streichung der klimaschädlichen Subventionen, allen voran des Dieselprivilegs. Bis heute hat die Regierung der Öffentlichkeit nicht einmal eine Liste vorgelegt. Ganz offenbar gilt es, Klientelen zu schützen. Und woran die Task Force arbeitet, liegt im Dunkeln.

. . . und keine Bereitschaft zu institutionellen Reformen?

Bestehende Strukturen werden auch in anderen Bereichen prolongiert statt reformiert: Stillstand gibt es bei der Reform der teuren föderalen Strukturen, bei der Bildungsreform, beim Gender-Pay-Gap, beim Mietrecht und im Bereich des Finanzausgleichs. Für die Pflege hat der Gesundheitsminister immerhin eine Reform angekündigt, aber bis heute nur einen Arbeitskreis eingesetzt, die Finanzierung bleibt vorerst tabu.

Die Projektvorschläge, die unlängst Kurt Bayer zur Erreichung der Pariser Klimaziele und zur Wiederherstellung der Vollbeschäftigung in seinem Gastkommentar in der "Wiener Zeitung" dem Finanzminister ans Herz gelegt hat, sind aber nur Wunschträume, weil es dafür zweierlei braucht: einen institutionellen Reformschub und letztlich wohl auch die Einsicht, dass nicht weniger Staat, sondern vorerst mehr staatliches Handeln aus der Krise heraus führen können. Das ist doch empirisch evident, wenn man an die staatlich verfügten Lohnsteigerungen, die Wohnbau- und anderen Infrastrukturprojekte nicht nur von Präsident Roosevelt denkt.

Dazu sind die subnationalen Dienstleistungen und Infrastrukturvorhaben besser an den außer Streit stehenden europäischen Zielen auszurichten. Mit dem Ausbau der Bundesbahn allein wird der öffentliche Verkehr regional nicht nachhaltig neu geordnet werden können, wenn die Zersiedlung weiter anhält und die Wohnbauförderung ebenso wie etwa die Grundsteuer nicht an Zielen des Flächensparens und der kurzen Wege beim Bauen angepasst werden.

Auch die Bekämpfung der Armut und der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern wird nicht vorankommen, wenn die vielen kommunalen und regionalen Dienstleistungen in Bildung, Gesundheit, in Kinder-, Behinderten- und Altenbetreuung, in Zweigen von Kunst und Kultur sowie in Recycling und Naturschutz weiter so schlecht bezahlt werden. Dafür braucht es die längst fällige Finanzausgleichsreform.

Wir empfehlen dazu dem Finanzminister, sich an das Regierungsprogramm 2020 zu halten und die institutionellen Blockaden im Sinn der Aussagen zum Finanzausgleich aufzulösen. Unter diesem Stichwort finden sich die entsprechenden Handlungsanleitungen: "FAG zielorientiert entlang strategischer Ziele erarbeiten", "Erreichung der Klimaziele als gemeinsame Aufgabe" und "Zusammenführung der (Aufgaben)Zuständigkeiten und Finanzierung".