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Die Lehren der Pandemie für den Krankenhausbau

Von Peter Podsedensek

Gastkommentare

Corona hat die Komplexität von Projekten im Gesundheitssektor nicht nur verstärkt, sondern vor allem offengelegt.


Die Corona-Pandemie hat Krankenhäuser in vielen westlichen Ländern an ihre Belastungsgrenzen gebracht und so den Stellenwert eines funktionierenden Gesundheitssystems offenbart. Im chinesischen Wuhan wurde zu Beginn der Pandemie binnen zehn Tagen ein Krankenhaus mit 1.000 Betten aus dem Boden gestampft, in Manhattan legte das größte Hospitalschiff der Welt an, und in Wien wurde vorsorglich ein Großlazarett in der Messehalle am Prater aufgebaut.

Plötzlich steht eine hochspezialisierte Architekturdisziplin, über die sonst wenig gesprochen oder geschrieben wurde, im Fokus der Öffentlichkeit. In der internationalen Bau- und Architekturbranche gilt das Gesundheitswesen aufgrund seiner vielfältigen Anforderungen bereits seit jeher als Königsdisziplin. Krankenhäuser sind komplexe Gebäude, die zahlreiche unterschiedliche Funktionen unter einem Dach erfüllen müssen. Wesentliche Hauptverbindungswege, etwa zwischen Notaufnahme und OP, sind neben kilometerlangen Verkabelungen und Installationen möglichst kurz und barrierefrei zu halten. Auch der Reinheitsgrad einzelner Bereiche spielt bei der Gestaltung eine wesentliche Rolle, denn öffentliche und keimreduzierte Räume müssen strikt voneinander getrennt werden. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie konnten einige Erkenntnisse für den Krankenhausbau der Zukunft gewonnen werden.

Infektionsdynamikgezielt unterbrechen

Der Eingangsbereich ist ein Ort, der rasch zum Infektionsherd werden kann. Die Vereinzelung und gesundheitliche Triage der Personen, bevor sie überhaupt die Innenräume betreten, wird stärker ins Bewusstsein rücken. Eine rasche, unkomplizierte Selektion, beispielsweise über Drehkreuze oder Schleusen, wird wesentlich. Für solche Orte wird künftig in der Planung mehr Platz eingeräumt werden müssen. Leitsysteme beziehungsweise Wegkreuzungen in Spitälern werden vermehrt ins Auge gefasst, sodass bestimmte Räumlichkeiten, wie Wartebereiche und Ambulanzen, für eine Pandemie genutzt werden können, ohne dass es bei anderen Patienten zu Kontaktrisiken kommt.

Eine große Herausforderung besteht darin, die Räume so zu planen, dass sie auch in Nicht-Pandemiezeiten sinnvoll genutzt werden können. Patienten, Mitarbeiter und Lieferanten sollen möglichst getrennt verkehren, ohne in ihrer operativen Arbeit eingeschränkt zu sein. Hygienische Aspekte machen bei der Planung von Gebäuden ein hohes reinraumtechnisches Fachwissen erforderlich, das verschiedene Stufen von Keimfreiheit vorsieht. So lässt sich erschließen, welche Formen und Materialien zu verwenden sind.

Die Errichtung von Krankenhäusern der höchsten Isolationsstufen ist allerdings aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht tragbar. Es gibt bereits Publikationen in diese Richtung, wie beispielsweise das Zweibettzimmer mit zwei getrennten Nasszellen, aber sobald es an die Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Folgekosten geht, wird das sehr kritisch. Im Vergleich dazu ist der Trend zum Einbettzimmer zu bevorzugen. So können infektiöse Patienten nicht nur rasch und effektiv isoliert werden, sondern geschlechtergetrennte Mehrbettzimmer werden obsolet, was der flexiblen Belegung zugutekommt. Eine zukünftig verstärkte Investition in den Bereich Modulbau ist denkbar.

Die Branche hat hier viel aus der aktuellen Krise gelernt. In der Vergangenheit bestand kaum eine Notwendigkeit, ein Gebäude ohne konkreten Bedarf vorsorglich und binnen weniger Tage zu errichten. Nun werden Herausforderungen zur unbürokratischen und raschen Abwicklung solcher Projekte aber bewusst thematisiert.

Aufholbedarf bei Digitalisierung

Wie in vielen anderen Branchen hat Covid-19 auch im Gesundheitswesen den Stellenwert der Digitalisierung offengelegt. Wir haben gesehen, wie wichtig die enge Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern ist und dass eine gemeinsame IT-Infrastruktur sowie Cloud-Systeme benötigt werden. Um schnelle und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu gewährleisten, muss der Datenaustausch auch zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken einwandfrei funktionieren.

Über die Bedingungen der Pandemie hinaus sind Maßnahmen zur Erhöhung der IT-Sicherheit und Vorkehrungen gegen Cyber-Kriminalität besonders wichtig. So soll auch die Datensicherheit bei der digitalen Medikamentenabgabe erhöht werden. Was fehlt, ist eine einheitliche Digitalisierungsstrategie. Bisher gibt es meist nur kleinteilige Insellösungen, die in verschiedenen Krankenhäusern umgesetzt werden.

Generell kann man sagen, dass die Pandemie die Komplexität von Projekten im Gesundheitssektor nicht nur verstärkt, sondern vor allem offengelegt hat. Diese Entwicklung führt dazu, dass es schwieriger wird, Projekte mit verschiedenen Ansprechpartnern und Schnittstellen problemfrei abzuwickeln. Ein gesamtheitlicher Dienstleistungsansatz - Architektur, Baumanagement und IT aus einem Guss - ist nun mehr denn je gefragt.