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Schranken für Robin Hoods an der Börse?

Von Alexander Eberan

Gastkommentare
Alexander Eberan leitet das Private Banking Wien bei der Steiermärkischen Sparkasse.
© Steiermärkische Sparkasse / Thomas Raggam

Warum die Causa GameStop die Börsenaufsicht alarmieren sollte.


Der Austausch in Sozialen Medien zwischen einer riesigen Zahl kleiner Marktteilnehmer, die ihre Wertpapiere mittels gebührenfreier Finanzdienstleister, wie etwa Robinhood oder Trade Republic, handeln, birgt die Gefahr, die Mechanismen der Finanzmärkte auf den Kopf zu stellen. Dass professionelle Finanzdienstleister nun Sorgen um die Stabilität der Märkte äußern, ist nicht nur in deren Eigeninteresse begründet.

Jüngstes aufsehenerregendes Beispiel: der US-Videospielehändler GameStop, dessen Aktienkurs im Jänner binnen vier Wochen um unglaubliche 1.600 Prozent stieg. Zuvor hatte eine hohe Zahl professioneller Investoren mittels Short-Positionen darauf gewettet, dass der Kurs fallen würde.

In der Praxis ist das nicht unüblich. Große Hedgefonds bedienen sich oft solcher Strategien, wenn das Geschäftsmodell des Unternehmens wenig Zuversicht bietet und negative Auswirkungen auf deren Aktien zu erwarten sind. Technisch entspricht das Setzen auf fallende Kurse einem Leerverkauf der Aktie. Man "borgt" sich eine entsprechende Aktie mit der Verpflichtung, diese zu einem vereinbarten Termin in der Zukunft wieder dem Ausleiher zurückzugeben. Die Aktie wird zunächst am Markt verkauft. Fällt der Kurs bis zum Rückgabetermin, kann sie günstiger wieder gekauft und zurückgegeben werden. Die Differenz zwischen dem Verkaufspreis im ersten Schritt und dem günstigeren Kaufpreis im zweiten Schritt stellt den Gewinn dar.

Die Strategie des Leerverkaufs ist sinnvoll, solange der Kurs weiter fällt. Steigt er aber entgegen den Erwartungen an, sollte man seine Position glattstellen, die Aktie also möglichst rasch kaufen, weil die Gefahr besteht, dass der Einkaufskurs den früher erzielten Verkaufskurs übersteigt.

In der Causa GameStop kaufte in einer konzertierten Aktion eine Vielzahl an Kleinanlegern Aktien der Firma direkt oder mittels Derivaten und bildete eine Art Flashmob an der Börse. Der Kurs stieg an und veranlasste sukzessive die Leerverkäufer, ihre Short-Positionen glattzustellen, um ihre Verluste zu begrenzen. Dies führte zu einem weiteren rasanten Kursanstieg und erklärte die massive Wertsteigerung. Im Sog von GameStop legte auch die Aktie des australischen Rohstoffproduzenten GME Resources rasant um 70 Prozent zu: Das Unternehmen ist nämlich an der Börse mit demselben Anfangskürzel wie GameStop (GME) gelistet und wurde von unachtsamen Anlegern fälschlicherweise gekauft.

Abgesehen von solch absurden Entwicklungen beobachten Profis die Einflüsse von Digitalisierung und Social Media auf den Kapitalmarkt schon länger mit Sorge. Oft reicht schon ein Tweet, damit der Kurs einer Firma steigt oder fällt. Die Causa GameStop stellt aber die nächste Ebene der digitalen Eskalation dar. Treten Hedgefonds mit Short-Strategien auf den Plan und liefern sich in einer Aktie Machtkämpfe mit einer Masse moderner Robin Hoods, müsste die Aufsicht alarmiert sein. Fälle wie dieser führen dazu, dass sich Preise für Unternehmen immer mehr von ihren fundamentalen Daten abkoppeln. Dadurch wird nicht nur die Allokationsfunktion der Börse, nämlich das Kapital in Richtung prosperierende Geschäftsbereiche und Firmen zu lenken, gestört. Auch die Investition auf Basis von Fundamentaldaten wird damit erschwert.