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Armutsbekämpfung in der EU - was tut Österreich?

Von Gottfried Schweiger

Gastkommentare
Gottfried Schweiger arbeitet am Zentrum für Ethik und Armutsforschung der Universität Salzburg.
© Michael Brauer

Die bescheidenen Ergebnisse des EU-Sozialgipfels sind ein Armutszeugnis für die reichen EU-Staaten.


Beim Sozialgipfel in Porto haben sich die Spitzen der EU und der europäischen Sozialpartner darauf geeinigt, bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen Menschen aus der Armut zu holen, darunter 5 Millionen Kinder. Das sind bescheidene Ziele, weil sie akzeptieren, dass dann noch immer 76 Millionen Menschen - darunter mehr als 10 Millionen Kinder - in der EU in Armut leben werden. Ein sozialpolitisches Armutszeugnis angesichts des Reichtums der Gemeinschaft der EU-Staaten.

Die vielen negativen psychischen, gesundheitlichen und sozialen Folgen von Armut sind gut dokumentiert, und es ist schwer zu verstehen, warum Politiker und Vertreter der Sozialpartnerschaft so viel Armut in Europa dulden wollen. Die Ziele von Porto unterschreiten auch deutlich, worauf sich die EU Staaten im Rahmen der Nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO selbst verpflichtet haben. Diese legen fest, dass Armut gemäß nationaler Definition bis 2030 um die Hälfte reduziert werden soll - in der EU wären das rund 40 Millionen arme Menschen weniger.

2019 lebten in Österreich mehr als 1,4 Millionen Menschen in Armut. Positiv anzumerken ist, dass der Trend der leichten Armutsreduktion in Österreich in den vergangenen Jahren vor Corona stabil war. Dass es aber nicht klappen wird, bis 2030 die Zahl der armutsgefährdeten Menschen in Österreich zu halbieren, wie die UN-Entwicklungsziele verlangen, kann jetzt schon vorausgesagt werden. Vielleicht ist das ein Grund, warum dieses ambitionierte sozialpolitische Ziel in der Öffentlichkeit eher verschwiegen wird, obwohl die UN-Ziele explizit festlegen, dass die Bevölkerung miteinbezogen, sich beteiligen und informiert werden sollte.

Der nun in Porto bestärkte Aktionsplan der EU verlangt von Österreich, bis 2030 zumindest 250.000 Menschen aus der Armut zu holen, davon 80.000 Kinder. Was man sich von der heimischen Politik nun erwarten darf, ist, dass sie offen und transparent darlegt, wie sie vorhat, diese Ziele zu erreichen. Das bedeutet auch, Prioritäten klar zu benennen. Nicht alle armen Menschen sind gleich arm, und bestimmte sozialpolitische Maßnahmen helfen manchen Gruppen mehr als anderen. Die politische Verantwortung liegt hier vor allem bei den Grünen und Sozialminister Wolfgang Mückstein.

Am Geld sollte die nun verkündete bescheidene Armutsreduktion weder EU-weit noch in Österreich scheitern. Der Staat hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass er, wenn er will, viel Geld mobilisieren kann. Auf der anderen Seite beläuft sich gemäß neuesten Berechnungen das Privatvermögen des reichsten Prozents der österreichischen Bevölkerung auf fast 500 Milliarden Euro (39 Prozent des Gesamtvermögens). Effektive Armutsbekämpfung braucht aber nicht notwendigerweise neue Steuern. Die gesamten Ausgaben für die Sozialhilfe betrugen in Österreich im Jahr 2019 nicht einmal eine Milliarde Euro. Hier sollte man mehr investieren. Die gerade lancierten Pläne, das Arbeitslosengeld weiter zu reduzieren, würden dagegen mit ziemlicher Sicherheit zu mehr Armut führen.