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Mehr Gehör für den ORF-Publikumsrat

Von Golli Marboe

Gastkommentare

Die Geschäftsführung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks folgt in den seltensten Fällen (oder allenfalls halbherzig) den Empfehlungen des Gremiums. Es ist zu hoffen, dass die nächste mehr darauf eingehen wird.


Der ORF-Publikumsrat tagt fünfmal im Jahr. Die darin ehrenamtlich tätigen Repräsentantinnen der Zivilgesellschaft beraten nicht nur im Plenum, sondern auch in sieben Arbeitsausschüssen. Trotz dieser vielen Stunden, die man mit den Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Publikumsrat verbringt, bleibt ein eigenartiger Nachgeschmack zurück: Die Journalistinnen und Programmmacher scheinen interessiert und durchaus dankbar für den sachlichen Austausch. Die ORF-Geschäftsführung hingegen folgt dann in den seltensten Fällen (oder allenfalls halbherzig) den Empfehlungen des Publikumsrates. Hier als eines der Mitglieder dieses Gremiums dazu eine persönliche Liste der zum Teil seit Jahren auf der Agenda stehenden Themen und Forderungen der Publikumsvertreter:

Schon lange fordert der Publikumsrat ein eigenes regelmäßiges Format zum Umgang mit Medien. In Zeiten, in denen man in Österreich acht bis zehn Stunden täglich mit Medien verbringt, sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk häufiger als einmal im Monat mit "#doublecheck" (Ö1) die Medienmechanismen journalistisch untersuchen. Das sympathische "Fakt oder Fake" auf ORF 1 zeigt in die richtige Richtung, deckt aber die Vielfalt des vielleicht relevantesten Themas der Gegenwart - Medienkompetenz - wahrlich nicht im Ganzen ab.

Tägliche Kindernachrichten stellen eine zweite seit Jahren formulierte Forderung des Publikumsrates dar. Informationen, die für Kinder aufbereitet werden, helfen nicht nur das politische Verständnis nächster Generationen zu stärken, sondern ein solches News-Format, das komplizierte Zusammenhänge in einfacher Form übersetzt, würde auch Erwachsenen ermöglichen, kompliziertere Themen besser zu verstehen. Das sowieso spärliche ORF-Kinderprogramm endet bei der Zielgruppe der Achtjährigen. Warum finden sich keine kindergerechten Serien oder Reportagen für Kinder bis zwölf Jahre?

In Bezug auf ein Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene kann man nur hoffen, dass für den ORF-Mediaplayer tatsächlich auch eine Plattform nach dem Vorbild des deutschen öffentlich-rechtlichen Best-Practice-Projektes funk.net entsteht und dafür vor allem auch ein nennenswertes Budget bereitgestellt wird. Ganz besonders ist dabei zu beachten, dass es unter den jungen Menschen nicht nur Schüler und Studentinnen, sondern eben auch Lehrlinge und bereits im Berufsalltag aktive Burschen und Mädchen anzusprechen gilt. Darüber hinaus stünde es dem ORF gut an, mit Bildungseinrichtungen aller Art intensiver zu kooperieren.

Die 100-prozentige Barrierefreiheit der ORF-Angebote steht ebenfalls auf der Liste des Publikumsrates. "Bundesland Heute", die reichweitenstärkste TV-Sendung des ORF, wird lediglich in der Steiermark in einem Pilotversuch für Hör- und Sehbehinderte zugänglich gemacht. Gerade in Zeiten der Digitalisierung und der damit entstandenen automatisierten Übersetzungssysteme sollten die ORF-Programme eigentlich längst vollumfänglich barrierefrei zugänglich sein.

Auch in einem anderen Bereich gilt es diese Übersetzungssysteme zu nützen. In den digitalen Angeboten des ORF könnten sämtliche ORF-Programmangebote auch in den Sprachen unserer Volksgruppen angeboten werden.

Zukunftsthemen aus der Welt des Umwelt- und des Klimaschutzes formuliert zwar der Verein "Mutter Erde" für den ORF, dessen Finanzierung durch Industrie und große Handelsunternehmen sowie die Vorstandsstruktur gelten im Publikumsrat allerdings als sehr umstritten.

Zum aktuellen Europa-Verständnis des ORF mag man sich vielleicht einfach die Sendungstitel von ORF 2 und ORF III ansehen: "Erlebnis Österreich", "Schatzkammer Österreich", "Wir spielen für Österreich" - unzählige Formate beschreiben Heimat, scheinen aber Europa nicht als Teil dieser Heimat zu verstehen.

Die nächste ORF-Geschäftsführung muss sich außerdem um die Zugänglichkeit des ORF-Archivs für jene bemühen, die dieses mit ihren Gebühren überhaupt erst möglich gemacht haben. Dazu und zu vielen anderen weiteren Forderungen muss das ORF-Gesetz geändert werden.

Zum Beispiel auch, damit die omnipräsenten Sportübertragungen auf ORF Sport + oder im Online-Streaming stattfinden und nicht mehr auf ORF 1.

Schließlich wird der Publikumsrat immer darauf achten, dass redaktionelle Unabhängigkeit gewährleistet bleibt: Vor wenigen Wochen wurde die ambitionierte Sendung "A Team für Österreich" abgesetzt. Darin hatte es das junge Journalistinnenteam gewagt, die Auswirkungen "unadressierter Werbung in all unseren Postkästen" zum Thema zu machen (Firmen, die stark im ORF werben, wie XXXLutz, Spar, Rewe, Hofer und nicht zuletzt die Post profitieren von unadressierter Werbung). Nach Interventionen von Lobbyisten wurde dieses Format durch leitende ORF-Manager dann sehr schnell aus dem Programm genommen und abgesetzt.

Es ist zu hoffen, dass die nächste Geschäftsführung mehr auf die Anregungen des Publikumsrates eingeht. Tatsächlich Einfluss werden die Repräsentanten der Zivilgesellschaft aber nur dann bekommen, wenn in einem nächsten ORF-Gesetz diesem zweiten, dem Inhalt der ORF-Angebote verpflichteten Gremium, auch entsprechende Mandate eingeräumt werden.