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Verzichten wir auf die Verzichtsdebatte

Von Hans Holzinger

Gastkommentare
Hans Holzinger ist Nachhaltigkeitsexperte der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg. Zuletzt erschien sein Buch "Post-Corona-Gesellschaft. Was wir aus der Krise lernen sollten" (2020).
© Reinhard Geiger

Vier Anmerkungen zum "Steinzeit"-Sager des Bundeskanzlers.


Dass mit Sprache Stimmung und Politik gemacht wird, ist nicht neu. In den Kommunikationswissenschaften spricht man von Framing. Aussagen werden in bestimmte Kontexte gesetzt, um damit bestimmte Ziele zu erreichen. Nun mag der "Steinzeit"-Sager des Kanzlers nach hinten losgegangen sein. Seine Ausführungen erfordern jedoch genauere Antworten. Sebastian Kurz meinte ja, es sei der falsche Weg zu glauben, wir könnten das Klima durch Verzicht retten; der einzig richtige Zugang sei, auf Innovation und Technologie zu setzen. Dazu vier Anmerkungen:

Neue Technologien und eine Veränderung unseres Lebensstils, Mobilitäts-, Konsum- und Ernährungsverhaltens widersprechen einander nicht. Wir brauchen beides, wobei technologische Lösungen zunächst leichter umzusetzen sind. Der Umstieg vom Verbrennungsmotor aufs E-Auto erfordert keine Verhaltensänderung, der Umstieg auf Öffis oder Fahrrad schon. Bereits reiche Gesellschaften werden künftig nicht nur nachhaltiger produzieren und konsumieren, sondern sich auch mit geplanter Schrumpfung auseinandersetzen müssen.

Verzichten können wir nur auf etwas, das uns im Grunde zusteht - unser ressourcenintensiver Lebensstil steht uns aber nicht zu. Unser ökologischer Fußabdruck ist viel zu groß, als dass er für alle Menschen tragbar wäre. Uns weniger zu nehmen von dem, was uns der Planet dauerhaft gibt, ist auch ein Gerechtigkeitsgebot.

Worauf verzichten wir jetzt? Auf von Abgasen und Autolärm freie Städte, auf öffentliche Räume, die zum Verweilen einladen, auf leistbares Wohnen für alle, auf hochqualitative Lebensmittel für alle, ja auch auf mehr Zeit für Muße und soziale Kontakte für alle. Eine nachhaltige Gesellschaft braucht nicht nur bessere Technologien, sondern setzt auch neue Prioritäten, fokussiert auf Grundbedürfnisse und eine faire Verteilung des dann wahrscheinlich geschrumpften BIPs, was aber kein Problem ist, wenn die Verteilung passt. Neue Arbeitszeitmodelle sind aus sozialen und ökologischen Gründen eine kluge Zukunftsstrategie neben adaptierten Steuersystemen, die nachhaltiges Verhalten von Unternehmen wie Bürgern belohnen und dem Auseinanderdriften von Arm und Reich entgegenwirken.

Und es geht um unsere Glaubwürdigkeit gegenüber den nächsten Generationen. Das ist keine technologische oder ökonomische, sondern eine moralische Frage. Es liegt an uns, jetzt die Veränderungen anzugehen - die Zeitfenster schließen sich, wenn wir Kipppunkte erreichen und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen irreversibel wird. Die Umwelt ist nicht etwas, das außerhalb von uns liegt und deshalb zu schützen ist, sondern sie ist die Basis für unser Gedeihen-Können und für intakte Lebensgrundlagen auch kommender Generationen. Die erforderlichen Ökowenden bei Mobilität, Wohnen, Konsum und Ernährung sind schon in vielen Studien und Büchern beschrieben. Und es gibt bereits etliche Realexperimente, von denen zu lernen ist - ob wirksame CO2-Steuern, die Schweden schon vor 20 Jahren eingeführt hat, Carsharing-Modelle in Wohnanlagen, moderne öffentliche Verkehrssysteme, Fahrradstädte oder einfach Menschen, die für sich neue Prioritäten gesetzt haben und lustvoll nachhaltig mit bedeutend weniger Konsum leben.