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Life-Sciences als Standortsicherung für Europa

Von Bettina T. Resl

Gastkommentare
Bettina T. Resl ist Beiratsmitglied im Hildegard Burjan Institut - Verein zur Förderung der politischen Bildung. Sie war von 2005 bis 2011 als Kabinettsmitarbeiterin im Gesundheits- und im Wissenschaftsministerium tätig.
© Günter Freund

Investitionen und Produktionsstätten sind unbedingt notwendig.


Die Pandemie hat den Life-Sciences-Bereich prominent ins Scheinwerferlicht gerückt. Und in diesem Scheinwerferlicht wird deutlich, was in Europa unbedingt notwendig ist: Investitionen und Produktionsstätten.

Europa verfügt über großartige Ressourcen im Life-Sciences-Bereich: Es gibt hervorragende Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die Forschung auf internationalem Niveau betreiben. Auch Österreich als kleines Land bringt immer wieder starke Innovationen im Gesundheitsbereich hervor, die weltweit Nutzen stiften. So haben beispielsweise Forscherinnen und Forscher in den Max Perutz Labs am Vienna Biocenter in Wien die Basis für die Anwendung der Genschere CRISPR/Cas9 geschaffen.

Die Branche stellt zudem einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar - und das nicht erst seit Covid-19. Mehr als 900 Firmen sind in Österreich im Life-Sciences-Bereich tätig. 2017 machten diese gemeinsam einen Umsatz von 22,4 Milliarden Euro und investierten mehr als eine Milliarde Euro in Forschung. Damit geht rund ein Fünftel aller betrieblichen Forschungsausgaben in Österreich auf das Konto von Life-Sciences-Unternehmen. Ihre Rolle als Arbeitgeber ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, da sie dank ihrer Krisenresistenz in Summe mehr als 55.000 Beschäftigten sichere Arbeitsplätze bieten.

Ein weiterer Wettbewerbsvorteil, den Europa im Vergleich zu den USA und China genießt, sind die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Gesundheitsdaten sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen. Das stellt eine unerlässliche Voraussetzung für sichere und nachhaltige Innovationen im Gesundheitsbereich dar und bildet einen unschlagbaren Vorteil im internationalen Wettbewerb.

Allerdings sind die USA und China dabei, Europa - und damit auch Österreich - im Life-Sciences-Bereich an den Rand zu drängen. Dafür sind hauptsächlich zwei Gründe ausschlaggebend: Kapital und Produktionsmöglichkeiten. Weiters profitieren die USA vom Zugang zur Nasdaq, die Börsengänge innovativer Life-Sciences-Unternehmen erleichtert. Laut dem deutschen Biotechnologie-Report 2020 der Beraterfirma EY stand in den USA im Jahr 2019 für Biotech-Unternehmen Risikokapital von in Summe fast 15 Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Zum Vergleich: In Europa knackte das Risikokapital im Jahr 2019 erstmals die 3-Milliarden-Euro-Marke. Diese Zahlen machen deutlich, welchen Nachteil Europa in der Finanzierung innovativer Gesundheitsentwicklungen hat. Auch China holt hier weiter auf.

Die starke regionale Diskrepanz bei der Wachstumsfinanzierung ist einerseits kultureller Natur: So sind Kapitalgeber aus den USA und China auf der einen und Europa auf der anderen Seite doch mit einer sehr unterschiedlichen Risikoaffinität behaftet. Darüber hinaus müssen Europa und insbesondere Österreich Anreize für Investorinnen und Investoren schaffen und die rechtlichen Rahmenbedingungen für Risikofinanzierung attraktiver gestalten. In diesem Zusammenhang wäre auch ein Bekenntnis zur europäischen Produktion in öffentlichen Ausschreibungen denkbar, etwa durch Anwendung des Best- statt des Billigstbieterprinzips aus europäischer Produktion.