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Luxusobjekte statt Allgemeingut

Von Heinz Högelsberger

Gastkommentare

Vom Goethehof zum "The Shore" - schleichende Enteignung von Immobilien im öffentlichen Besitz.


Der Goethehof in Wien-Kaisermühlen wurde 1932 eröffnet und anlässlich des 100. Todestages nach dem deutschen Dichterfürsten benannt. In die 727 Wohnungen zogen damals 1.681 Erwachsene und fast ebenso viele Kinder ein. Der Gemeindebau verfügte unter anderem über eine Tuberkulose-Fürsorgestelle, zahlreiche Geschäfte, ein Tröpferlbad, ein Jugendheim, eine Bibliothek und den ersten von der Gemeinde Wien verwalteten Montessori-Kindergarten. Doch die Ära des Roten Wien wurde bald brutal beendet: Während der Februar-Kämpfe 1934 wurde das Wohnhaus von der Artillerie des Bundesheeres in Brand geschossen. Was den heute denkmalgeschützten Bau aber so einmalig macht: Von vielen Wohnungen geht der unverbaubare Blick über eine frei zugängliche Lagerwiese zum 100 Meter entfernten Kaiserwasser. Luxus pur für rund 560 Euro bei 60 Quadratmetern.

Als Gegenstück aus der Jetztzeit kann das Projekt "The Shore" gelten: Auf dem weitläufigen Gelände einer ehemaligen Marinekaserne werden in der Wiener Kuchelau profitmaximierend möglichst viele Luxuseigentumswohnungen mit exklusivem Wasserzugang errichtet. Statt Kindergarten und Bibliothek gibt es hier Concierge-Service sowie Yoga-, Party- und Fitnessräume. Will man hier einen Blick auf den Donauarm erhaschen, werden für eine Zweizimmer-Wohnung (60 Quadratmeter) rund 750.000 Euro fällig. Gleich daran anschließend werden - ebenfalls am Wasser - Cabanas errichtet. Homeoffice für Wohlhabende sozusagen, denn für die Holzgebäude (42 Quadratmeter Nutzfläche) werden 275.000 Euro fällig, plus monatliche Kosten von rund 500 Euro. Das notwendige Grundstück hierfür wird freundlicherweise von der Stadt Wien verpachtet.

Politik der knappen Kassen

Was bei diesem und vielen anderen Projekten auffällt: Auf Grundstücken, die vormals der Allgemeinheit gehörten, werden immer häufiger Luxusimmobilien errichtet. Hier rächt sich die Politik der knappen Kassen, die ÖBB und öffentliche Körperschaften zwingt, ihre Grundstücke an den Meistbieter zu verkaufen. Tolle Lagen werden somit der Bevölkerung entzogen; ein schleichender Enteignungsprozess findet in Permanenz statt. Weitere Beispiele: Aus der burgenländischen Berger-Kaserne wurde das "Schloss Neusiedl" mit 106 hochpreisigen Wohnungen. Das ehemalige Post- und Telegrafenamt in der Wiener Wipplingerstraße fungiert nun als Palais mit großzügigen Lofts. Das frühere Handels- und Bezirksgericht in der Riemergasse soll zu einem Fünfsternehotel mit Luxusresidenzen werden. Auch die Heumarkt-Gründe (Eislaufverein), auf denen der Investor Michael Tojner ein umstrittenes Hochhaus errichten will, gehörten bis zum Jahr 2008 dem Bund.

Aktuell wird gerade das ehemalige Bezirksamt Döbling umgebaut. Die Liegenschaft in U-Bahn-Nähe hätte sich sehr gut für einen Gemeindebau geeignet. Stattdessen errichtet die von Karl-Heinz Grasser privatisierte Buwog hier 116 Eigentumswohnungen. Versprochen wird eine "perfekte Symbiose zwischen traditionsreichem architektonischen Erbe und höchsten Ansprüchen an eine zeitgemäße Wohnkultur". Offenbar ist das nichts für Gemeindebaumieter. Auf dem großen Parkplatz direkt bei der U-Bahnstation Kagran, aber auch auf den ehemaligen ÖBB-Gründen beim Hauptbahnhof lässt der politisch bestens vernetzte und auch deshalb gerichtsbekannte Immobilien-Tycoon René Benko Hochhäuser hochziehen.

Auf dem Areal des ehemaligen Zollamts und der Flugsicherung baut Soravia gemeinsam mit der ARE - einer Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) - die "TrIIIple"-Wohntürme am Ufer des Donaukanals. Es war eines der ersten Projekte, bei denen es einen städtebaulichen Vertrag zwischen der Stadt und den Entwicklern gab. Dies umfasste die Überplattung der Ostautobahn (A4) samt Gestaltung der Oberfläche als öffentlich zugänglichem Freiraum, eine bauliche Anbindung an die A4, Flächen für einen Kindergarten sowie an die 3 Millionen Euro für die Erweiterung der Volksschule Dietrichgasse. Das sind alles Maßnahmen, die hauptsächlich den zukünftigen Wohnungsbesitzern zu Gute kommen. Außerdem hieß es bei Vertragsabschluss, dass 30 Wohneinheiten einer sozialen Hilfsorganisation zur Verfügung gestellt werden, die diese an bedürftige Personen weitervermieten kann. Es wird aber zu keiner sozialen Durchmischung kommen, denn Soravia wird der Caritas insgesamt 22 kleine Wohnungen in anderen Stadtteilen Wiens übergeben.

Es geht auch anders

Die Absiedelung kleiner Spitäler in bester Lage und deren Integration in die neu errichtete Klinik Floridsdorf weckte große Begehrlichkeiten. Für die Vorgänge rund um die Semmelweis-Frauenklinik hat sich sogar die Staatsanwaltschaft interessiert. Dort stehen im Währinger Villengebiet insgesamt sechs denkmalgeschützte Pavillons in einer Parklandschaft. Drei wurden von der skandalumwitterten Musikprivatschule Amadeus bezogen. Im nun privatisierten Park baute die at home Immobilien GmbH "das exklusive Wohnbauprojekt Hockegasse 43" mit 49 Einheiten. Der Verkaufspreis war verdächtig niedrig. Ermittelt wurde er von einem Gutachter, der dann auf dem Areal selbst billig eingekauft haben soll, was eine schiefe Optik ergibt.

Dass man es auch anders machen kann, zeigt sich beim ehemaligen Sophienspital, wo demnächst ein Gemeindebau und ein öffentlicher Park entstehen sollen. Auch das Art-Déco-Gebäude des Orthopädischen Krankenhauses Gersthof wird derzeit im Auftrag der BIG zu einer Schule umgebaut. Diese beiden Beispiele sind tatsächlich Lichtblicke. Sie sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor am Bewusstsein fehlt, wie fatal dieser schleichende Ausverkauf von Immobilien der öffentlichen Hand ist.