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Nur Show in Glasgow?

Von Stefan Schleicher

Gastkommentare
Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Zu wenig Substanz: Klimakonferenzen mutieren immer mehr zu Show-Events.


Aus McKinsey & Company, der weltweit als am einflussreichsten geltenden Consulting-Unternehmung, wurde eine interne Revolte bekannt: Mehr als 1.100 Mitarbeiter wandten sich in einem offenen Brief an das Top-Management mit der Aufforderung, kritisch die Consulting-Tätigkeit für jene Firmen zu überdenken, die für mehr als ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.

Die Liste der Kunden von McKinsey ist ein Who-Is-Who der größten Verursacher des Klimaproblems, die von BP, Chevron, Exxon Mobile und Shell bis zu Gazprom und Saudi Aramco reicht. Die Essenz des offenen Briefes ist eine Aufforderung, bei der Beratungstätigkeit jenseits von Empfehlungen für Kostenreduktionen, Produktivitäts- und Gewinnsteigerungen eine Verantwortung für den Ausstieg aus klimaschädigenden Tätigkeiten zu übernehmen.

Dieser Vorfall bei McKinsey wird zum Beginn der Klimakonferenz in Glasgow bekannt und signalisiert so etwas wie einen Klimawandel in den Mechanismen zur Bewältigung der globalen Klimakrise. Was sich bisher in den rund dreißig Jahren unter dem Schirm der von der UNO organisierten Verhandlungen zum Ausstieg aus fossilen Energien und klimaschädigenden Produktionen ereignet hat, ist zumindest im Spiegel der Fakten keine Erfolgs-Story.

Ein gerade von der UNO veröffentlichter Bericht zeigt, dass auch bei Realisierung aller bisher bekannt gewordenen Ziele und Politiken der globale Temperaturanstieg mindestens 2,7°C erreichen wird und damit weit weg vom noch tolerierbaren Wert von 1,5°C. Die offiziellen Aktivitäten bei der Klimakonferenz in Glasgow werden diese Fakten nicht negieren, aber wohl nur geringe Fortschritte zu deren Bewältigung erreichen.

Zwei Themen lassen darauf schließen. Erstens die Einlösung der erstmals 2009 in Kopenhagen vorgelegten Absicht der reichsten 20 Staaten, den restlichen rund 155 Staaten ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Abwehr und Anpassung an den Klimawandel verfügbar zu machen. Trotz kreativer Umbuchungen von bestehenden Transfers lassen sich aber derzeit nur 80 Milliarden darstellen. Zweitens das noch viel heiklere Thema unter der Überschrift "Loss and Damage", der Haftung für jene Schäden, die den größten Verursachern von Treibhausgasemissionen, den Industriestaaten plus China, angerechnet werden, von den Verursachern aber nicht übernommen werden wollen. Es überrascht deshalb nicht, dass die Klimakonferenzen angesichts mangelnder Fortschritte in der Substanz immer mehr zu Show-Events mutieren.

Der Catwalk der Präsidenten wird angeführt von Joe Biden, und aufmerksam wird die Abwesenheit seiner Partner Xi von China und Putin von Russland registriert. Biden hat aber Mühe zu kaschieren, dass seine ambitionierte Klimapolitik sogar in seiner eigenen Partei auf Widerstände der fossilen Lobbys stößt. Mehr an Glaubwürdigkeit für die erforderlichen radikalen Kurskorrekturen sind möglicherweise außerhalb von Glasgow zu finden, beispielsweise bei BlackRock. Dieser global größte Asset Manager kündigte eine klimaneutrale Investitionspolitik an. Von den weltweit 60 größten Banken haben seit 2016 immerhin 27 die Finanzierung in die fossile Industrie reduziert.

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