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Die Regierungskrise und die Steuerreform

Von Hans Sailer

Gastkommentare
Hans Sailer ist Präsident des Ökosozialen Forums Wien (www.oekosozial.at/wien).

Eine ökosoziale Steuerreform wird nicht von heute auf morgen beschlossen und umgesetzt.


Wir erleben wieder unruhige innenpolitische Tage. Gerade jetzt, in einer neuerlichen Regierungskrise, wird der Entwurf einer der größten Steuerreformen der Zweiten Republik diskutiert.

Ein kurzer Rückblick: Seit den 1970er Jahren ist bekannt, dass die Erde durch die Menschen überbeansprucht wird. Der Bericht des Club of Rome hat hier Pionierarbeit geleistet. Früher haben sich Umweltprobleme zumeist lokal bemerkbar gemacht. Mittlerweile sind auch die globalen Zusammenhänge, insbesondere die Klimakrise, ins allgemeine Bewusstsein gerückt. Der seinerzeitige Vizekanzler Josef Riegler (1987 bis 1991) hat seine Idee der Ökosozialen Marktwirtschaft vor rund drei Jahrzehnten formuliert - angesichts der großen Weltkonferenz von Rio. Das Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft sollte um die Dimension der Ökologie erweitert werden. Umweltschutz soll für Unternehmen auch ökonomisch die beste Wahl sein. Als Kernelemente nannte Riegler ökologische Kostenwahrheit, ein striktes Verursacherprinzip und einen intelligenten Umbau bei Steuern, Abgaben und Förderungen. Seine Gedanken waren damals avantgardistisch und sind heute immer noch fortschrittlich.

Das Steuersystem ist zweifelsohne einer der mächtigsten Hebel, die der Politik für die Veränderung unserer Gesellschaft zur Verfügung stehen. Vor allem der nationale Emissionshandel - also die ansteigende Bepreisung von CO2-Emissionen - ist ein echtes Novum und ein Meilenstein im Rahmen der vorgelegten Reformpläne. Diese reichen aber viel weiter - einige Ausgleichs- und Entlastungsmaßnahmen werden sehr kontrovers diskutiert: vom regional gestaffelten Klimabonus bis zur Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt). Viele wichtige Fragen sind nicht endgültig verhandelt - beispielsweise die Aufteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung.

Dass der Anfang für eine ökosoziale Steuerreform unternommen wird, ist sehr zu begrüßen. Sie ist aber kein Vorhaben, das von heute auf morgen beschlossen und umgesetzt wird. Vielmehr steht nun der Prozess eines umfassenden Umbaus des Steuersystems an, des Justierens und Nachjustierens. Ein Prozess, der Umsicht, Dialog und Weitsicht erfordert - denn er wird die Lebensqualität und Lebenschancen künftiger Generationen wesentlich beeinflussen.

Am Montag endet die Begutachtungsfrist. Wie mit den Rückmeldungen umgegangen wird, wird die neue Regierung, vor allem der neue Kanzler und der neue Finanzminister, verantworten. Dialog und Zusammenarbeit gehören jedenfalls seit jeher zu den guten ökosozialen Traditionen. In diesem Sinne braucht es nun Gespräche: mit Ländern, Kommunen und Sozialpartnern, mit Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Das Ziel muss eine Reform sein, die die Umwelt schützt und den Menschen nützt. Eine Reform, die von den Leuten befürwortet und von den großen Organisationen mitgetragen wird. Und die Corona-Krise zeigt uns: Wir brauchen genügend Mittel für die öffentliche Hand, damit diese durch Investitionen und Infrastruktur den Wohlstand und die hohe Lebensqualität in unserem Land sichern und ausbauen kann.